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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Weltexklusiv: die geheime Bayreuther „Walküre“ – am Sonntag wird ihr Geheimnis gelüftet

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„Wes Herd dies auch sei, hier muss ich rasten.“ – „Ein fremder Mann? Ihn muss ich fragen.“ Kennen wir doch. „Walküre“, Erster Akt. Das Orchester tremoliert auch den dazugehörigen Gewittersturm. Und wir befinden uns im Bayreuther Festspielhaus. Aber was sehen wir da? Noch nie geschaute Bilder, nicht von Castorf und auch nicht aus dem aktuell in Gran Canaria, am Urlaubsdomizil der Festspielchefin gedrehten, erklärenden Imagefilm, der eben den ersten, kompletten „Ring“-Abend beim konzertanten Gastspiel in Abu Dhabi begleitete. Woher kommt also diese mysteriöse, weil offenbar bisher geheim gehaltene „Walküre“-Inszenierung, von der bis heute kaum ein Mitarbeiter weiß? Am Sonntag wird das Rätsel gelüftet. Wirklich schwierig. Sieht es doch aus wie so oft auf der Bayreuther Bühne. Müll liegt herum, viel Müll, und Sieglinde, die im Schutzanzug in einer Plastikplanenflüchtlingsunterkunft vegetiert, schaufelt ihn unaufhörlich in eine brennende Tonne. Könnte auch von Castorf aus seinem Baku-Bild sein. Ist es aber nicht. Stopp, da kommt Siegmund als angeschossener Fahrradkurier durch den Maschendrahtzaun. An dem hängen übrigens Schilder. „Warning! Restricted Area. Keep out. Authorized Personnel Only“, steht da auf Englisch zu lesen, ganz wie auf Deutsch auf allen Türen zum Bayreuther Backstage-Bereich. Und da weiß ein Schild noch mehr: „Alien Activity!“

Da müssen wir dann doch sehr schmunzeln. Denn da hat sich der TV-Regisseur Sebastian Marka für den fünften Franken-„Tatort“ der ARD, darum handelt es sich hier nämlich, etwas sehr Komisches ausgedacht: Während die Millionen Zuschauer mit Kommissarin Dagmar Manzel fiebern, die einen Mord bei laufender Festspielvorstellung  verhindern soll, bekommt der Insider die Fragmente einer von Marka erdachten, eigens auf die originale Bühne geschaufelten fiktiven Wagner-Inszenierung zu sehen. Die so durchaus, inklusive Wesen von fremden Opernsternen, hier ästhetisch über die Szene hätte gehen können. Als Kenner kann man sich auch sonst köstlich darüber amüsieren, wie mit dann doch viel zu wenig Statisten wuselige Festspiel-Atmosphäre erzeugt werden soll, wie die vor den Kameras offenbar fremdelnden Festspielorchester-Musiker als Ich-tu-so als-ob-Geiger im mystischen Abgrund dirigentenlos fiedeln (extra Nachdreh im Sommer!) und dazu Christian-Thielemann-Wagner-Soundtrack läuft.

Und es ist beruhigend, zu wissen, niemals könnte in der Realität ein Mörder so einfach bei laufender Vorstellung ins Festspielhaus spazieren. Denn da sind die Türen abgeschlossen, nur von innen zu öffnen. Dazu hätte er mindestens die seit einigen Spielzeiten hier (samt Maschendrahtzaun) lauernde Security und einige lila Mädels umnieten müssen. Was wir uns nicht mal vorstellen wollen.

Alles Fiktion also. Nicht ganz, denn was sagt Sebastian Marka über seinen fünftägigen Dreh im April 2018, den erst dritten im Festspielhaus (inzwischen war noch „Die Sendung mit der Maus“ da)? Es gäbe durchaus Parallelen zwischen Oper und Krimi-Realität: „Auf der Bühne: Eine nachgestellte Szene aus der ,Walküre’: Zwei Leute, die durch eine schlimme Tat getrennt wurden und dann zusammenkommen und ein Kind zeugen. Bei uns: Zwei Leute zeugen ein Kind und werden nie mehr zusammen sein, durch eine schlimme Tat.“

Und Bayreuther Realitäten gibt es zudem in diesem meist kammerspielhaft intensiven „Tatort“ um Schuld und Sühne – auch das ein Wagner-Motiv: Wagners Hund Russ in Plastik gegossen. Eine Nietzsche-Spruch. Viel braune Seventies-Tristesse, bereits in der Anfangsszene auf dem Landgerichtklo. Und den echten Festspielsprecher Peter Emmerich, der die Vorstellung abbrechen lassen muss. So gut könnte das nämlich kein Polizistenstatist!

Tatort „Ein Tag wie jeder andere“. Sonntag, 24. Februar, 20:15 Uhr ARD

Der Beitrag Weltexklusiv: die geheime Bayreuther „Walküre“ – am Sonntag wird ihr Geheimnis gelüftet erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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