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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Pariser Opernballett: Schmeißt Direktor Benjamin Millepied heute hin?

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Benjamin_Millepied_2015Wow! Am 10. Februar wollten eigentlich der Pariser Opernintendant Stephane Lissner und sein Ballettdirektor, der in Amerika naturalisierte Starchoreograf Benjamin Millepied, ihr Programm für die zweite gemeinsame Saison für die Opéra National vorstellen. Doch gegenwärtig überschlagen sich in Frankreich die Meldungen, dass Millepied bei einer für heute anberaumten Pressekonferenz seinen Rücktritt verkünden wird – nach nicht einmal einem Jahr! Dabei schien künstlerisch alles so gut zu laufen. Lissner, der den Ehemann von Hollywood-Star Natalie Portman samt Frau und vierjährigen Sohn an die Seine gelockt hatte, bereite ihm dort den roten Teppich.

Eine bereits zuvor eingetütete Premiere von Ravels „Daphnis und Chloe“ wurde bereits im Frühsommer 2014 ein großer Erfolg. Seine erste Tat als Direktor waren neue, weichere Tanzböden. Ebenfalls gelungen waren alle bisherigen Premieren der ersten Millepied-Saison, darunter eine Uraufführung, die vorwiegend die jüngeren Corps de Ballet-Mitglieder einsetzte samt geldwertiger Gala, zudem eine Boulez-Hommage mit einer Uraufführung von Wayne McGregor, der auch zuvor schon mit einigen Solisten ein neues Stück in Manchester herausgebracht hatte.

Am Freitag soll eigentlich eine weitere, erst kürzlich anoncierte Premiere mit einer Uraufführung von Jerôme Bel sowie einer Kreation von Millepied, „La nuit s’achève“ („die Nacht endet“) zu Beethovens Appassionata-Sonate über die Pariser Bühne gehen. Denn der neue Chef liebt es offenbar, für seine Truppe zu choreografieren.

Doch die Institution war wohl doch widerständiger als es sich der nicht in der traditionsreichen Schule große gewordene Benjamin Millepied ausgemalt hatte. Offenbar hatte es hinter den Kulissen in der Fraktion der Beharrer, zu der auch einige Ex- und gegenwärtige Étoiles gehören, die sich zuvor berechtige Hoffnungen auf den Ballettchefposten gemacht hatten, Ärger gegeben. Auch die Bürokratie war wohl mehr als erwartet.

Kürzlich hatte sich Millepied, der der Oper viel Sponsorengeld und Glamour gebracht hatte, in einer TV-Dokumentation besonders über die starre Hierarchie und den ewigen internen Wettbewerb ausgelassen, der viel Zeit und Energie frisst. In einem weiteren Interview, in dem er mehr Autonomie und mitdenkende Tänzer forderte und gegen die Engstirnigkeit der Truppe wetterte, goss er wohl weiter Öl in das Feuer seiner Gegner. „Das Ballett de l Opéra ist längst nicht so exzellent wie es glaubt, manchmal sind die Aufführungen wie Tapeten, tödlich langweilig. Man muss den Spaß beim Tanzen sehen, sonst lebt dieser Tanz nicht.“

Das Ballett der Pariser Oper weigerte sich, auf die Meldungen von Millepieds möglichem Abgang zu reagieren, aber bestätigte, die für heute 15 Uhr anberaumte Pressekonferenz, bei der „Stephane Lissner wichtige Dinge zu sagen hat”, so eine Sprecherin des Balletts. Jetzt wird spekuliert, ob der 38-jährige Millepied, der mit seiner Choreografie für den Thriller „Black Swan“ auch außerhalb der Tanzwelt Furore machte, etwa als permanenter Choreograf statt Direktor der Truppe erhalten bleiben oder ob er wohlmöglich nach Los Angeles zurückkehren und seine gegenwärtig auf Eis liegendes Truppe L.A. Dance Project wiederbeleben wird. Seine Vorgängerin Brigitte Lefèvre hatte über 20 Jahre auf dem Posten ausgeharrt, ihren Vorgängern, den Tanzidolen Rudolf Nurejew und Patrice Dupond, war freilich auch keine lange Leitungszeit beschieden.

In Paris sind für die nächste Spielzeit aber wohl mindestens noch zwei neue Millepied-Ballette angekündigt. Und vor Ort werden natürlich auch bereits die Stimmen laut, die durch diesen Abgang die Stellung von Stephane Lissner (der wie Generalmusikdirektor Philippe Jordan einen Vertrag bis 2021 hat) geschwächt sehen. Lissner hatte vehement auf dieser Berufung beharrt und sie Anfang 2013 auch durchgesetzt.

Der Beitrag Pariser Opernballett: Schmeißt Direktor Benjamin Millepied heute hin? erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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