Deckel zu, Angelegenheit erledigt? Denken das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester und ihr ehemaliger Chefdirigent Daniele Gatti, der letzten Sommer überraschend und mit sofortiger Wirkung gefeuert worden war, weil Musikerinnen ein „unangemessenes“ Verhalten ihres Chefs gemeldet hatten, dass jetzt – nach einer intern gütlichen Einigung dieses „Kapitel abgeschlossen“ sei, wie sie ihre Pressemitteilung übertitteln? Ist es in der Klassik nach wie vor so einfach? Es scheint so. Da war viel Rauch und wenig Feuer in der Affäre Gatti. Zwei Sängerinnen hatten in der „Washington Post“ angeklagt, dass sie von Gatti sexuell belästigt worden seien. Gatti entschuldigte sich eher peinlich für ein mögliches Fehlverhalten. In Amsterdam aber wurde er kurz danach rausgeworfen. Nicht genaues erfuhr die Öffentlichkeit nicht. Er wolle klagen, zeterten die Anwälte. Nichts ist passiert. Die seit Jahren schlingernde römische Oper machte ihm – nun mit viel Zeit versehen – nach der Premiere des Vergewaltigungsdrama „Rigoletto“ zum neuen Musikchef, abgesegnet von der Bürgermeisterin. Im Oktober dirigierte Gatti beim Bayerischen Rundfunk, ein alter Vertrag, den man nicht brechen wollte. Inzwischen hat man erklärt, Orchesterchef Mariss Jansons, ist da auch nicht unbedingt auf der Höhe des Zeitdiskurses, mit Gatti weiterarbeiten zu wollen. Auch in Dresden, da regiert der ebenfalls verhaltensauffällige, mit Temperament gesegnete Christian Thielemann, dem gerade wieder mal die Assistentin nach einem halben Jahr lang Krankschreibung nach Saarbrücken entfleucht ist, wird die Sächsische Staatskapelle Daniele Gatti weiterbeschäftigen. Die Berliner Philharmoniker, dort regiert eine Frau als Intendantin, entließen hingegen Gatti schon drei Monate vorher „wegen Krankheit“ aus seinem „Otello“-Vertrag für Ostern. Einspringer: Zubin Mehta, früher ebenfalls als Liebhaber der schönen Damenwelt bekannt. Ob Gatti weiterbeschäftigt wird: vielleicht am Montag auf der Jahrespressekonferenz der Berliner zu erfahren. Und was mit dem Bayreuther „Ring“ 2020 wird, für den er freilich bisher nicht offiziell angekündigt worden war, aber wohl einen Vertrag hat, ist noch völlig offen. Festspielchefin Katharina Wagner will nach einem skandalfreien letzten Sommer sicher keine offene Flanke bieten…
In Amsterdam aber wird es kein Zurück geben. Man hat sich, sicher ich auch Geld geflossen, der Posten ist auch längst wieder ausgeschrieben, intern geeinigt. Nach „konstruktiver Diskussion“ trenne man sich „einvernehmlich“. Haha! Aber Gatti geht nicht vor Gericht, was eher gegen ihn spricht. Die jetzt vom Orchester herausgegebene, für beide Seiten irreversible Presseerklärung ist kurz und klar: Man wolle in die Zukunft blicken, Gatti wird als „wichtig“ fürs Orchester bezeichnet und jetzt mit drei noch zu veröffentlichen CDs geehrt. Mit dabei die sexuell aufgeladene Oper „Salome“ – sehr komisch. Und das war’s. The Show must go on, alles bleibt ungeklärt Misstrauen steht einer im Raum. Aber auf dem Podium wird weiter einer Illusion des guten, wahren dun Schönen gefrönt. Und gelernt hat man nichts. Nur ein weiters Mal die dreckigen Felsbrocken unter den Notenteppich gekehrt.
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