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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Im Operettenorkus: Franz von Suppés „Der Teufel auf Erden“ vermag zu dessen 200. Geburtstag in Chemnitz leider nur höllisch müde zu funkeln

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In der Hölle ist der Teufel los, zumindest eine Zeit lang. Wir sind zwar nicht mit Offenbach in dieser rotglühenden, schönkulissengemalten, opulent luziferrrot kostümausstaffierten Unterwelt, aber mit Franz von Suppé mitten in einem Monstermaul. Und hier haben sich die Diktatoren der Oberwelt nicht zum Cancan, aber zum Fegefeuertanz versammelt: Hitler und Stalin, Gaddafi und Bin Laden, Nero und Margaret Thatcher. Dazu moussiert der Rhythmus, düster-dämonisch wurde das bereits klangeröffnet. Und ein anderer wartet brav und vorzeitig auf den Einlass, um dann beim Pförtner verwirrt im Siedekessel zu krakeelen: Donald Trump. Da geht es also, Beelzebub, Kasperl und Krampus tanzen zudem herzig herum, wirklich „fantastisch-burlesk“ zu, so wie es der Untertitel zu dieser satanischen Recherche als Liebesdienst an einem vergessenen Komponisten im Opernhaus Chemnitz verspricht. Doch leider hält in der Folge von fünf Bildern und drei Akten die Wiederentdeckung „Der Teufel auf Erden“ von Franz von Suppé nicht, was er verspricht. Und das hat mehrere Gründe.

Fotos: Nasser Hashemi

So wird wohl, der 200. Geburtstag am 18. April wurde außer in Sachsen vor allem in Wien schmählich übergangen, der Schöpfer von „Boccaccio“ und Fatinitza“ und vielen weiteren, ja sogar der ersten („Das Pensionat“) der Wiener Operetten, weiterhin höchstens noch durch die kaum mehr vorhandenen Kurkonzerte als Ouvertüren-Lieferant spuken. Auch mit diesem, erst 2016 in München für Deutschland erstaufgeführten mephistofelischen Dreiakter, der mit dem Premierenjahr 1878 genau zwischen Suppés beiden Erfolgsstücken steht.

Immerhin gab es kürzlich eine de-Luxe-Neuaufnahme mit dem spritzigen, intelligenten Vorspielen des 1819 im dalmatischen Split geborenen Francesco Ezechiele Ermenegildo Cavaliere Suppè-Demelli, den die Klassikwelt nur als Franz von Suppé kennt. Und der als Wiener Pionier eines neuen musiktheatralischen Unterhaltungstheaters auch mit seinen kompletten Werken immer noch auf die frechen Operetten-Archäologen wartet.

Beim in dieser Musik bestens bewanderten Münchner Rundfunkorchester ist Suppé durchaus Chefsache, und der ebenfalls in Kroatien geborene Ivan Repusic löffelt seine Suppé-Suppe dirigentisch vorzüglich. Da tanzen die Rubati in der Offenbach-beschwingten Einleitung zur „Schönen Galathée“, und im „Dichter und Bauer“-Vorspiel intoniert das Solocello völlig ölfrei die berühmte, freilich durch Freddy Brecks „Rote Rosen“-Schlager berüchtigt gewordene Melodie. Repušic bedient hier mit acht sattsam bekannten Titeln gustiös den Kanon, die unbekannten Werke mit ihren berühmten Ouvertüren wie „Leichte Kavallerie“, „Banditenstreiche“, Pique Dame“, „Ein Morgen, ein Mittag, ein Abend in Wien“ sind dabei, als auch Suppés ewigen Hits wie der andere Banditenstreich „Boccaccio“. Im Rhythmischen wie im Melodischen stimmt das, Repušic setzt nicht nur auf Knalleffekt und Gimmick, sucht Farben und gestaltet schön schwingende Legato-Bögen. So geht Operettenkultur.

Das versucht in Chemnitz auch der in das Genre verliebte Kapellmeister Jakob Brenner durchaus mit Erfolg am Pult der höllenfeuerhellen Robert-Schumann-Philharmonie. Doch gerade im Vergleich zu Offenbachs boshaft strahlender Parodie glimmen hier die Knallfrösche nur müde, wartet man vergeblich auf den Kanonenschlag-Schlager. Suppé verfertigte allzu harmlose, sich eher an der Spieloper orientierte old fashioned Unterhaltungsmusik. Ohne jeden höllisch scharfen Chilipuder dudelt und diddelt das dahin, bei Teufels wenigstens noch rhythmisch pikant gewürzt.

Doch auf Erden wird es schnell dröge: Ruprecht, der Höllenknecht, muss oben den Satan suchen, der schon vor Zeiten auf einer Werbungsmission abhanden gekommen ist – und landet im Kloster. Alter Komödientrick, hier will er nicht wirklich frivol funkeln. Zwar entpuppt sich zum Aktende die schon am Schwänzchen zu entlarvende Mutter Oberin Aglaia (die verdiente Operettendiva Dagmar Schellenberger lässt mit Verve welke Stimmbänder klirren) als wahre Teufelsbraut, die nicht nur mit dem Pförtner ein Kind, sondern auch den Klosterschatz geplündert hat. Aber bis zu dieser Antiapotheose bleibt die anvisierte, im zeitgenössisch spießigen Wien einst wohl für Zensurempörung sorgende Kleruskritik bigott und harmlos. Die Nönnchen trippeln aufgescheucht im Chor, und zwei Novizinnen sind schnell an zufällig anwesende Freier gebracht; was sich dahinzieht.

Obwohl massiv bearbeitet und aktualisiert wurde. Alexander Kuchinka, der nicht nur wienerisch krauternd den aufmüpfigen Ruprecht stelzefußt, zeichnet auch für die textliche Neufassung verantwortlich. Man sei hier, so wird Kuchinka, im Programmheft zitiert, vorgegangen wie bei der Chemnitzer Oper – außen historisch, innen neu. Ja aber, möchte man hinzufügen, wir dort mit dem Nostalgiecharme einer marmoraufgeblähten Nineties-Krankenkassenempfangshalle. Wirklich modern ist das nicht, und die Witze zünden nur teilweise.


Am besten funktioniert, auch weil unser bei einem Militärkapellmeister angelernte Suppé ein wunderbar hüftzuckender Marschlieferant war, die Soldatenburleske im zweiten Akt. Das hat Charme und Schmackes, da streicheln sich die feschen Gefreiten auch mal verschämt über den Hintern – in Erwartung des Wochenendes wie der zwei Nichten des Hauptmanns, die einen Stock höher weggesperrt sind. Das arg brave Libretto von Karl Juin und Julius Hopp spielt nämlich dreimal die gleiche Situation durch: Teufelsknecht und ein unterwegs aufgelesener, leicht angetunteter Schutzengel (Matthias Winter) suchen seinen Herren und stiftet dabei sechs Ehen, im Kloster, in der Kaserne und in der Tanzschule. In Chemnitz wird immerhin auch optisch noch eine Zeitreise im 200er Schritt von 17. bis ins 21. Jahrhundert unternommen.

Nützt aber auch nichts. Hinrich Horstkotte, in bewährt eigener, opulent fantasievoll den alten Kulissenzauber zitierenden und wiedergebender Ausstattung wider den öden Humana-Teitgeist, gelingt diesmal keine zweite Bühnenwirklichkeit. Alles bleibt pappig und allzu bieder, ganz besonders der puschig provinziell anmutende dritte Teil. Jetzt nämlich sind Teufelchen und sein Publikum, der Satan wurde inzwischen als Oberst Donnerbach (basswuchtig: Gerhard Ernst) ganz vergnüglich und mit viel Dampf und Radau entlarvt, endgültig in der örtlichen Chemnitzer Tanzschule angekommen.

Da wird zum anstehenden Opernball geübt, aber die kommunikationsgestörten Paare (die Teufelei unserer Social-Media-Ära) walzen nur noch jeder für sich als lemurenhafte Ich-AGs in pseudoprolligen „Fack ju Göte“-Dialogen über’s Parkett. Benimm-Prinzipal (Thilo Kühl-Schimmel) und Opernintendant (Christoph Dittrich) spielen sich hölzern selbst, das wackere Sänger-Quartett (Franziska Krötenheerdt, Sylvia Rena Ziegler, Reto Rosin, Andreas Beinhauer) kleidet sich unerschrocken ein letztes Mal in Tussi-Leggins und fiese Migranten-Plastikperücken, bevor die höllischroten Paare mit Blinkehörnchen zum finalen Ballvergnügen „Alles Walzer“ vor einem Logenrund hereinfluten.

Themen aus dem Werk wurden später übrigens zum „Teufelsmarsch“ kompiliert, und finden sich unter dem Titel „Mit feuriger heißer Lust“ auch in einer „Banditenstreiche“-Adaption. Solche feurig heiße Lust freilich vermisst man in dieser doch über weite Strecken faden Chemnitzer Premiere – einer Koproduktion mit der Wiener Volksoper, wo dieser Suppé dann frühesten ab 2020/21 vermutlich wieder in den Operettenorkus fährt.

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