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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Jetzt leuchtet die „Moldau“ auch im LAC: Die Bamberger Symphoniker fahren weiter nach Lugano

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Innsbruck, wir müssen Dich lassen. Was nicht besonders schwer fällt, weil hier auf norddeutsch Schietwetter herrscht, keiner der berühmten Gipfel zu sehen ist und Il Ticino, das Tessin, lockt. Dazwischen liegen freilich einige Hundert Kilometer, viele Berge und diverse Pässe. Intendant und Chefdirigent Jakub Hruša (er muss sich mit diversen neuen Partituren beschäftigen, darunter, für eine Einspielung, das Klavierkonzert des Spätromantikers Vítězslav Novák, so eine Art tschechischer Strauss) nehmen den umständlicheren Zug, der länger dauert und wo man weniger sieht. Die Bamberger Symphoniker besteigen die unter tiefhängenden Wolken bereitstehenden Busse. Auf der anderen Arlbergseite ist es zwar auch noch regnerisch, nass glänzt die Raststation samt „Heidiland“. Aber dann wird es, immer am Rhein entlang (wir kommen auf dieser, natürlich die „Moldau“ inkludierenden „Má vlast“-Reise von den Flüssen nicht los!), doch noch eine schöne Panoramafahrt in Smetanas Namen. Vorbei an Schneegipfeln und Wasserfällen, über Brücken und durch Tunnels, fällt die Straße vom Splügenpass dramatisch ins bald sonnenhelle Tessin ab, zwischen dem geballten Lugano-Bank- und Zweitsitzbeton schauen die Gipfel des Monte Brè und des Monte San Salatore zwischen Palmkronen empor. An der Anlegestelle Paradiso strahlt der Himmel mit der Schweizer Fahne um die Wette, und rosarot, innen ein wenig plüschmuffig, gibt sich das freundliche Hôtel de la Paix. Alles sind happy, allein schon, weil es nun 24 Stunden frei gibt – bis zur nächsten musikalischen Eroberung Tschechiens auf helvetischem Boden zwischen Italienisch Sprechenden.

Beim Abendessen mit mächtig viel Fisch lässt Jakub Hruša keineswegs die 80 Mal „Moldau“ Revue passieren, die er bisher dirigentisch von der Quelle bis zur Prager Burg Vysherad durchschwommen hat, auch den ganzen Zyklus hat er schon ordentlich viel mal absolviert. Aber dem gebürtigen Brünner wird es nicht langweilig damit. „Jetzt haben wir uns gerade so richtig warmgelaufen“.

Am nächstens Tag, man mag sich kaum aus dem Pensionistentraum dieses Tessiner Sonnentages reißen, geht es mittags zum Lokaltermin zum neuen Spielort LAC Lugano Arte e Cultura, wie die seit Herbst 2015 offene Combo aus Landesmuseum samt Wechselausstellungsfläche und multifunktionalem Auditorium heißt, zu der man sich als Kulturzentrum der italienischsprachigen Schweiz nach jahrelangem Ringen endlich entschlossen hat. Eine Nürnberger Delegation ist zu den Bambergern gestoßen, die sich hier umsehen will, schließlich steht dort der Neubau einer Konzerthalle für Symphoniker und Opernorchester hinter der zu sanierenden Meistersingerhalle an, die dann nur noch für Kongresse dienen soll. Man ist schon recht weit in der Planung, möchte natürlich auch gerne vor den ungeliebten Münchnern und ihrer Pfanni-Philharmonie im Werksviertel am Ostbahnhof fertig werden.

Links ist die mit grünem Marmor verkleidete, in den See weisende Bilderkiste schwebend an der Uferpromenade aufgebockt, in der Mitte flutet geradlinig der Glasvorhang des lichten, großzügigen Foyers. Rechts, nicht sichtbar, liegt der knapp 1000 Plätze fassende Saal, davor fügt sich die alte Fassade des lange schon aufgebenden und abbrannten Hotel Palace zum Platz-U. Hinter dieser liegen Luxuswohnungen, weiter rechts, zum Beginn von Altstadt und Fußgängerzone, schmiegen sich der alte Klosterkreuzgang und die 500-jährige Renaissance-Kirche Santa Maria degli Angioli mit ihrem berühmten Freskenzyklus an das Neue und Bewahrte.

Es führt Etienne Reymond, der Chef von LuganoMusica, hervorgegangen aus dem Lugano Festival, der jetzt das LAC die ganze Saison über musikalisch bespielt. Er klagt zwar über zu wenig Bar- und Restaurantplatz im Haus, den stiefmütterlich hinter eine Steinwand geschobenen, aber gut sortierten Shop, und träumt von einem 300-Plätze-Saal für Kammermusik auf der hinteren Terrasse (von wo so manches millionenteure Luxusappartement wie eine Gefängniszelle aussieht), der das nur 100 Besucher fassende Studio entlassen soll.

Aber sonst kann Reymond nicht meckern. Der völlig holzverkleidete Saal, der trotz der großen Bühne nahtlos in ein Konzertzimmer umgewandelt werden kann, klingt – akustisch von Müller BBM in München betreut – gut und kompakt. Dank der hier obligatorischen Sponsorenfülle kann man klotzen. Natürlich auch um den Saal zu etablieren, seinen durchaus guten Leumund in der Musikgeschäftswelt zirkulieren zu lassen. Neben eingekauften und heimischen Schauspielproduktionen, zeigte man zu Beginn dieser Spielzeit auch die erste eigene Operninszenierung – „Der Barbier von Sevilla“, denn der dem Chor des Radiotelevisone Svizzera Italiana vorstehende Diego Fasolis dirigierte. Zum Glück hat der Schweizer Rundfunk davon abgesehen, sein einziges, hier ansässiges italienisches Orchester einzusparen; was letztes Jahr mal ventiliert wurde.

Unter seinem Chef Markus Poschner gibt es jährlich zehn Konzerte im LAC, weitere zehn kauft sich Etienne Reymond ein – und zwar nur vom Feinsten: die Wiener und die Berliner Philharmoniker waren diese Saison schon da, das Orchester de Paris unter Daniel Harding, das DSO Berlin, das Bayerische Staatsorchester mit Krill Petrenko, das zeitweilig wiederbelebte Orchestra Mozart unter Bernard Haitink, eben das Orchestre de la Suisse Romande unter seinem Chef Jonathan Nott, vormals Bamberg. So schließt sich jetzt sinnig der sinfonische Reigen mit den Gästen aus Oberfranken.

Und dann ist auch schon wieder Anspielprobe, ewig gleichbleibendes Tourneeritual. Jakub Hruša behält diesmal seine Lieblingsstellen bei, wieder die beiden mittig links und rechst aufgestellten, die Bardengesänge symbolisierenden Harfen aus „Vysherad“, die sich vor der Pause auch verbeugen dürfen, dann ein paar „Sárka“-Ausschnitte. Hier klingt es schnittiger, geradliniger. Und trotzdem versteht es Hruša, Hartes sofort in Weiches zu verwandeln, ein Fortefortissimo bruchlos und hauchzart abschwellen zu lassen.

Im Konzert malt er schön die anfängliche, oft eingetrübte Elegie der alten Burgruinen aus, die Blechchoräle, die Niederlage, das kraftvolle sich Aufbäumen der Nation. Energetisch fließt und springt, mäandert und wellt sich die „Moldau“, jetzt wirkt das Panorama wie scharf eingestellt. Die männermordende Amazone „Sárka“ erscheint selbstbewusst, unaufhaltsam geht es in den Untergang der Kerle mit viel Krawumm. Dann ist Pause. Die Zäsur, die nicht sein muss, tut dem Stück freilich gut, man jagt nicht von einem Höhepunkt zum nächsten.

In der Elbphilharmonie nächste Woche werden die Bläser wieder verdoppelt sein, im LAC Lugano langt es einfach, und trotzdem entfaltet „Böhmens Hain und Flur“ seinen rustikal tänzerischen Zauber, der Landschaftsbeschreibung und Volksbelustigung gekonnt miteinander verwebt und verweht. Das kann sich mitunter böse ballen, so wie sich dann auch die beiden letzten, inhaltlich wie musikalisch thematisch verbundenen Teile „Tabór“ und „Blaník“ nicht nur einmal aggressiv zuspitzen, zwischen fugenartig geschichteten Chorälen auch ein verteidigungsbereites Land spüren lassen. Bis sich am Ende alles sehr präzise, mit einem klar konturierten Schlusschor in den diversen Motiven gleichberechtigt entspannt auflöst. Von welchen anderen Land würden wie uns solches heute noch im Konzertsaal bieten lassen? Die Bamberger Symphoniker unter Jakub Hruša sind jedenfalls wunderbare Museumsverwalter dieses kostbaren wie nationalistischen Klangrelikts. Das irgendwie mythische Heimat für alle Hörenden ist.

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