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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Viel zu früh: Eva Kleinitz, die Intendantin der Opéra National du Rhin, ist tot

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Eva Kleinitz, die Intendantin der Opéra national du Rhin, ist heute gestorben. Sie hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Sie wurde 47 Jahre alt. Wieder eine Frau. Und wieder viel zu früh. Da kommen sofort Erinnerungen an Ulrike Hessler, die Intendantin der Semperoper auf, die 2012 nach nur eineinhalb Jahren Amtszeit an einem Gehirntumor verstarb. Eva Kleinitz war auch nicht viel mehr Zeit in Straßburg vergönnt, während so mancher alte Mann in der Opernwelt immer weiter an seinem Sessel klebt. Beide haben sie sich hochgearbeitet, fleißig, exzellent vernetzt, klug, intuitiv, auch mutig. Zwar sind in Straßburg mindestens noch die nächsten zwei Spielzeiten geplant, aber die Frucht ihrer Anstrengung war eben erst dabei, wirklich aufzugehen.

Eva Kleinitz wurde 1972 in Langenhagen geboren. Sie studierte Musikwissenschaft, Psychologie und italienische Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes. Mit einer Magisterarbeit über Zandonais „Francesca da Rimini“ schloss sie ihr Studium 1998 erfolgreich ab. Ab 1991 war sie Regieassistentin und Spielleiterin, unter anderem bei den Bregenzer Festspielen sowie in Theatern und Opernhäusern in Klagenfurt, Avignon, Nîmes, Paris, Straßburg, Spoleto, Köln und Schwetzingen.

1998 wechselte sie unter Alfred Wopmann ins künstlerische Betriebsbüro der Bregenzer Festspiele, war verantwortlich für Casting, Dramaturgie, Verträge, Werkstätten und die Redaktion des Programms. 2000 übernahm sie die Leitung des künstlerischen Betriebsbüros und war bis 2003 persönliche Referentin des Intendanten. 2003 bis 2006 arbeitete sie als Operndirektorin und stellvertretende Intendantin der Bregenzer Festspiele sowie als Prokuristin unter dem neuen künstlerischen Leiter David Pountney.

2006 bis 2010 übernahm sie die Direktion für künstlerische Planung und Produktion an der Brüsseler Oper La Monnaie. Ab der Spielzeit 2007/08 war sie dort ebenfalls künstlerische Referentin des neuen Intendanten Peter de Caluwe. Ab Herbst 2011 war Eva Kleinitz Operndirektorin und stellvertretende Intendantin im Leitungsteam der Oper Stuttgart, zusammen mit Jossi Wieler (Generalintendant), Sylvain Cambreling (Generalmusikdirektor) und Sergio Morabito (Chefdramaturg). Im Oktober 2013 wurde sie beim Herbstkongress in Wexford als erste Frau und erste Deutsche zur Präsidentin von Opera Europa gewählt; das Amt bekleidete sie bis Mai 2017. Seit 2005 hielt sie regelmäßig im Sommer Gastvorlesungen und Workshops an der Showa University of Music in Shinyurigaoka im von ihr so sehr geliebten Japan. Sie gab ebenfalls regelmäßig Kurse an der Accademia della Scala di Milano.

Von Januar 2015 bis Mai 2017 war sie Mitglied der Opera Platform, einem gemeinsamen Projekt von Opera Europa und dem Fernsehsender Arte. Darüber hinaus war sie regelmäßig Jurorin bei internationalen Gesangswettbewerben, unter anderem bei der Francisco Viñas Competition, dem Concorso Lirico Internationale di Portofino, dem AsLiCo Como, der Paris Opera Competition etc.

Am 31. März 2016 wurde Eva Kleinitz einstimmig zur Generalintendantin der Opéra national du Rhin ab der Spielzeit 2017/2018 berufen. Am 1. September 2017 trat sie die Nachfolge von Marc Clémeur an, der dort seit 2009 als Intendant tätig war. Mit großer Kühnheit würdigte Eva Kleinitz in ihrer viel zu kurzen Zeit als Intendantin besonders Werke, die ihrer Meinung nach zu wenig Beachtung fanden, wie „Francesca da Rimini“, „Der Tempelbrand“ von Mayuzumi, und in der laufenden Spielzeit „Barkouf!“ von Offenbach, „La divisione del mondo“ von Legrenzi und jüngst „Beatrix Cenci“ von Ginastera. Ihr Bestreben, die Opéra du Rhin für neue Wege zu öffnen, verwirklichte sie unter anderem mit dem interdisziplinären Festival Arsmondo, das sie in Zusammenarbeit mit ihrem künstlerischen Berater und Dramaturgen Christian Longchamp gestaltete. Nachdem die ersten Ausgaben des Festivals 2018 Japan und 2019 Argentinien gewidmet waren, wird 2020 Indien das Gastland sein.

Eva Kleinitz’ Begeisterung für große Künstler kannte keine Grenzen und unter ihrer Leitung schärfte sich das Profil der Opéra du Rhin weiter als einer der wichtigsten Musiktheater in Frankreich (gleich nach Paris und Lyon) und auch international. Sie ludt Mariame Clément, Tatjana Gürbaca, Barrie Kosky, Jetske Mijnssen, Mariano Pensotti, David Pountney, Nicola Raab, Nicolas Stemann, Frederic Wake-Walker, Jossi Wieler & Sergio Morabito ein, hier zu arbeiten. Durch die fruchtbare Zusammenarbeit mit Marko Letonja, dem musikalischen Leiter des Orchestre Philharmonique de Strasbourg, sowie mit Patrick Davin und dann Jacques Lacombe, den Leitern des Orchestre Symphonique de Mulhouse, entsprachen die von ihr programmierten Opernproduktionen stets einem anspruchsvollen
musikalischen Niveau. Eva Kleinitz ermöglichte zahlreichen Sängerinnen in neuen Rollen zu debütieren und sie unterstützte und betreute die jüngsten unter ihnen, vor allem die Jahrgänge des Opernstudios, mit der allergrößten Herzlichkeit. Ihre Begeisterung und Unterstützung galt ebenfalls der Arbeit des von ihr berufenen Bruno Bouché als des Balletts der Opéra national du Rhin.

Wie gut ihr Haus aufgestellt war, das bezeugt auch die hervorragende Arbeit die dort in den letzten Monaten geleistet wurde, als Eva Kleinitz selbst schon nicht mehr dabei sein konnte, aber alle Entscheidungen noch vorbereitet und mitgetragen hat. Die Opernwelt wird ihre Kenntnis, ihre Freundlichkeit und Teambereitschaft, ihren Witz, Enthusiasmus und ihren unermüdlichen Einsatz für das Strahlen der Gattung sehr vermissen. Aber sie wird in unseren Herzen weiterstahlen.

Der Beitrag Viel zu früh: Eva Kleinitz, die Intendantin der Opéra National du Rhin, ist tot erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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