Was für eine deprimierende letzte Berliner Opernpremiere! Ohne Sinn und Verstand, Herz und Leidenschaft. Und leider auch ohne besonders viel Intelligenz und Können. Und dabei hätte die Staatsoper einen guten, neuen „Rigoletto“ durchaus brauchen können, die letzte Premiere liegt bald 30 Jahre zurück. Aber diese geschmacksneutrale Koproduktion mit der Metropolitan Opera (wo man freilich noch einen ganz gut funktionierenden, in Las Vegas angesiedelten hat)? Die taugt höchstens, um darin die Stars und Sternchen des internationalen Opernreisezirkus problemlos durchschleusen zu können. Verdi als Verschiebebahnhof. Denn diese banale Inszenierung des Musical-Routiniers Bartlett Sher bewältigt noch der Schlichteste auf Autopilot. Und vielleicht sagt man den Staatsopern-Teams auch mal, dass es dort diese Spielzeit bereits die dritte, in einem Treppenhaus spielende Produktion war („die Stufen des Musiktheaters“ als Saisonmotto ist uns irgendwie entgangen) und dass „Berlin in den Dreißigern“ als Konzept hier auch bereits ziemlich ausgekaut ist. Zumal die Staatsoper das alle paar Jahre entdeckt, wir sagen nur: der „Dix“-Ballettabend, „Fledermaus“ im Berghain, „Turco in Italia“ in Kreuzberg, „Falstaff“ in Mitte…und es beim „Rigoletto“ im öden Einheitssaalbühnenbild als George-Grosz-Flair nur zu ein paar Wimmelfresken an den Wänden als austauschbarem Lokalkolorit langte. Dazu kommen Bekleidungen von der Stange, ein wenig Operettenlametta für die ganz und gar unauthentischen Militärs (auch der Duca) und einer schüchternen Pseudo-SS-Uniform für den Marullo. Der Rest, inklusive der von der Seite hereinfahrenden Rigoletto- und Sparafucile-Behausungen, war Opernkonvention der flachsten Sorte – aber wenigstens mit Buckel und Sack.
Am Pult der pauschal lärmenden Staatskapelle stand der wenig von Oper beleckte Andrés Orozco-Estrada, der künftig wohl mehr davon als Chef der Wiener Symphoniker im Theater an der Wien machen wird. Hier röchelten schon die Trompeten des Anfangs, vieles war umkoordiniert in den Übergängen, man spielte nebeneinanderher, die Tempi waren seltsam hektisch und trotzdem oft zu langsam. Michael Fabiano als Herzog brüllte und presste vor allem, die metallische Stimme hat keinen Schmelz und kaum Farben. Als ein offenbar bestellter Bravorufer im zweiten Akt nach „Parmi veder le lagrime“ loskreischte, wurde er gleich von den Berliner Buh-Böllern niedergeblökt. Die hier gern gebuchte Nadine Sierra sang die Gilda im Missonijäckchen ohne Herz, aber mit einer gewissen Finesse, von allem in der „Caro nome“-Kadenz. Immer wieder schlichen sich aber ältlich säuerliche Töne dazwischen. Christopher Maltman hat zwar kein genuin italienisches Time, aber sein Rigoletto (das Rollendebüt war eben erst in Wien) atmet Größe und Vehemenz. Er spielte mit seinem Vibrato, konnte donnern und flehen. Anders als etwa die lyrischen Kollegen Hampson und Keenlyside, scheint seine robustere, dunklere Stimme eher für diese Partien geeignet, das konnte man schon in der Frankfurter „Forza“ hören. Ordentlich klischiert die Maddalena Elena Maximovas, suboptimal der Sparafucile von Jan Martiník und der flache Monterone Giorgi Mtchedlishvili. Diesen öden, theaterblassen Abend wollen wir schnell vergessen.
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