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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Traviatas Zorn: Koloratursüß und schnell wütend – Ileana Cotrubas wird 80

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Schönste, wohnliche Wiener Villengegend, nicht am Ring, aber eben auch nicht draußen in Hitzing. Man empfängt mit feinen Konditoreiteilen und bestem Porzellan zum Tee. Man bewohnt drei Stockwerke, früher, die Vorhänge im Salon und die Wandmalereien künden noch davon, lebte hier das Noch-nicht-Ehepaar Thomas Hampson-Andrea Herberstein. Jetzt aber steht, klein, ein wenig schüchtern (das gibt sich schnell), aber immer noch ganz sie selbst, Kammersängerin Ileana Cotrubas an der Aufzugstür, die direkt in der Wohnung mündet. Neben ihr: ihr Mann, der deutsche Dirigent Manfred Ramin. Kennengelernt haben sie sich an der Frankfurter Oper, geheiratet haben die beiden 1972 in Glyndebourne. Doch das friedliche Ambiente täuscht. Die kleine, feine Rumänin, eine der größten Opernstars der Siebziger- und Achtzigerjahre, kann auch schnell sehr temperamentvoll werden. Zumindest verbal und virtuell produziert sie wie Drache Fafner Gift und Galle, redet sich in Rage und kann sehr deutlich in ihrer Wortwahl werden. Ihr Kampfplatz: der heutige Opernbetrieb, das Regietheater insbesondere. „Die Sänger von heute trauen sich nicht mehr, und auch die Dirigenten greifen zu wenig ein“, schleudert sie einem schnell ziemlich apodiktisch entgegen. Ihr Mann sekundiert. „Die Regisseure haben die totale Macht. Und wenn eine Sängerin trotzdem mitmacht, gegen ihr Gewissen, dann ist das für mich Prostitution.“   

Ileana Cotrubas hat erst lernen müssen, sich zu artikulieren. Aufgewachsen bettelarm in einer osteuropäischen Diktatur, war die Musik Segen, Zuflucht und Zukunft zugleich. Das begabte Mädchen (ihre Schwester wurde Schauspielerin) kam nach dem Umzug nach Bukarest 1948 in die Kinderchöre des Radios und der Opera Națională București. Nach dem Abitur studierte sie dort Gesang. Musik war ihre Berufung, das Singen ihre Art, sich natürlich zu artikulieren, das bemerkte sie schon sehr früh. 1964 gab sie an Nationaloper ihr Debüt als Yniold in Debussys „Pelléas et Mélisande“, später wurde sie international zu einer Erfüllung der weiblichen Hauptrolle. Also Koloratursoubrette brachte sie es in Bukarest bis zur Gilda, später ebenfalls eine ihrer berühmtesten Partien.

„Zunächst war ich ängstlich und verschlossen, aber später wurde ich frecher und sehr klar“, beschreibt die Cotrubas ihren damaligen Wesenszustand. Und schon früh merkte sie für sich selbst: „Ich weiß, was ich will und ich verteidige das. Ich muss empfinden, was ich tue, ich habe mir durchaus viele Gedanken über meine Rollen gemacht.“

1964 gewann sie den Enescu-Wettbewerb in Bukarest, ein Stipendium erlaubt den Gang nach Westen. 1965 gewinnt den Wettbewerbs in ’s-Hertogenbosch. 1966 folgt der erste Preis beim Münchner ARD-Wettbewerb. Die Karriere kommt schnell in Fahrt, ein paar Jahre Frankfurt im Engagement, dann seit Anfang der Siebziger ein Star in Covent Garden, an der Scala, in München, Glyndebourne, Salzburg, Wien, Paris, New York. Sie wohnt in London, am Cap Ferrat. Die Grammophon wird ihre Plattenfirma, Karajan und Kleiber sind ihre Dirigenten; aber auch für die CBS (heute Sony) spielt sie viele Lieblingsrollen ein: die Pamina, Ilia, Zerlina, Norina, Violetta, Gilda, Mimì, Sophie, Louise, Leila, Adina, Elisabetta, Antonia, Lauretta, Micaela, Opern von Haydn und Händel. Und auch auf Video- oder Live-Aufnahmen gibt es sie mit Liedern, Mahler-Sinfonien, als Titania, Susanna, Nedda. Die lyrischen, nicht nur lieblichen Mädchen, das war ihre Domäne.

„Am Schönsten war es mit den Regisseuren und Dirigenten, die zugelassen haben, dass ich mich einbringe“, erinnert sie sich heute an diese zwei gloriosen, aber auch anstrengenden Jahrzehnte mit selten mehr als 35 Opernabenden. So wie Ileana Cotrubas auf eine überschaubare, aber sehr kostbare Diskographie zurückblicken kann, so hat sie es auch mit ihre internationalen Karriere gehalten. Nur das Beste, nie über ihr Fach, alles geben wollend, an der Seiter großer Kollegen wie Pavarotti, Domingo, Carreras, Aragall. Aber auch kompromisslos in ihren Anforderungen. „Wenn ich nicht glücklich bin, dann mache ich es nicht. Lieber verlasse ich eine Produktion, mit allen Konsequenzen. So habe ich es ein paarmal gehalten.“ Davon wurde damals durchaus die Opernwelt erschüttert. Aber man wollte die streitbare Dame, die jetzt heftig im Tee rührt, immer wieder haben. Weil sie so gut war.

„Ein Regisseur muss sich auf die Persönlichkeiten der Sänger einlassen, wir sind keine Marionetten, an deren Fäden man zieht“, sagt sie noch heute. Das sitzt und durchaus Recht hat sie. Ileana Cotrubas darf das sagten, schließlich hat sie Hervorragendes geleistet, die charakteristisch silbrig-slawische Stimme betört noch heute auf ihren Platten. Eine schlechte hat sie nicht gemacht. Doch Ende 1990 war es dann vorbei, mit nur 51 Jahren, sie wollte es so. Seither trauern die Fans ihr nach. Gut so, nicht andersherum. Zudem war ihre Gesundheit immer schon beeinträchtigt, eine schwache Herzklappe, der schlechten Gesundheitsvorsorge in ihrer Jugend geschuldet.

„Ich habe im richtigen Moment aufgehört, ich habe aus meinen Chancen und Möglichkeiten das Maximum herausgeholt“, ist sich die Cotrubas sicher. „Ich habe mich emotional verausgabt, und war irgendwann leer. Ich habe mir mein mädchenhaftes Timbre bewahrt, da konnte ich nicht in die schwereren Rollen wechseln. Ich brauchte das Geld nicht, der Körper war ausgelaugt, und kleine Rollen wollte ich auch nicht singen. Es war der genau richtige Moment, obwohl es eigentlich eineinhalb Jahre früher hätte sein sollen – ich gratuliere mir selbst!“

Heute ist sie Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, sitzt als Jurorin bei Gesangswettbewerben, leitet Meisterklassen, trifft sich gern mit Freundin Christa Ludwig und coacht privat – aber nur wenn und en sie mag. Kein Zweifel, konsequent ist sie, und rückhaltlos direkt. Sie sagt, was sie denkt und was sie vom gegenwärtigen Betrieb hält, den sie eifrig verfolgt. Und über den sie wütend ist, Respekt, Metierkunde und Mut vermisst, alles so gleichgeschaltet findet. „Ich hätte gern wieder eine Einfachheit auf der Bühne, die Reduktion auf das Wesentliche. Das sind oft sehr simple Geschichten, bei Donizetti oder Bellini oder auch Verdi – und ich sehe auf der Bühne immer nur Psychowracks in hässlichem Ambiente.“ Also gibt es zum Abschied, die Kuchenköstlichkeiten sind deutlich reduziert worden, noch eine Bitte mit auf den Weg: „Kämpfen Sie mit mir, die Oper hat es verdient.“ Heute wird Ileana Cotrubas, Kolorateuse und Kämpferin, 80 Jahre alt.

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