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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Ins Wasser auf die Via Veneto: Eine Konzertkleiderkritik zum Thomas-„Hamlet“ mit Diana Damrau an der Deutschen Oper Berlin

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Lassen Sie uns mal über Konzertgarderobe reden. Nein, nicht die des Publikums, da ist längst Hopfen und Seidenschal verloren. Und wenn die Temperatur gen 40 Grad klettert, dann kann man an einem nicht eben für die Würde des Kleides berühmten Ort wie der Deutschen Oper Berlin schon froh sein, dass sich keine Shorts und keine grauen Socken zu Sandalen zeigten. Nein, sprechen wir davon, was das Personal auf der Bühne inzwischen so anlegt, wenn es zur Oper ohne Inszenierung schreitet. Da gibt es ja viel Zeit (fast dreieinhalb Stunden) zu gucken, unangekränkelt von jeder Regieabirrung. Zum Beispiel beim konzertanten „Hamlet“ von Ambroise Thomas, nach ihrem Rollendebüt als nasse Ophélie in Barcelona für und um Diana Damrau mit drei Vorstellungen an der Spree ausgepreist. Ihr Mann Nicolas Testé, der mit wieder mal etwas farbarmen Bassbariton den König Claudius und als erster den Kleiderton vorgibt: fancy casual. Er interpretiert das als Frack mit schon zum Markenzeichen gewordenem schwarzem, offenem Kläppchenkragenhemd, also schon – nach der Etikette – zwei Modesünden in einem. Steht ihm gut zu frischgebräunter Haut, findet er sicher. Absolut korrekt, kultiviert, sehr elegant, slighly glamourous, so wie sie auch singt: Eve-Maud Hubeaux als die große Königin-Gertrud-Überraschung. Mit elaborierter Hochsteckfrisur und einem engen, hinten weit ausgeschnittenen lila Lurexkleid, von den Schultern laufen epaulettengleich Pailettenstickereien als Rand nach hinten. Von diesem warmen, fein geführten Mezzo wollen wir mehr hören! Und sehen!

Dann kommt Hamlet, ach was, er schlurft, einen antiquarischen Klavierauszug, marmoriert mit Goldschnitt, vor der gewölbten Brust. Denn Florian Sempey sehr wohl ausgewählt hat, schmückt er doch seinen übrigen Aufzug ungemein: mit brauner, goldknopfiger Brokatjoppe samt Weste, vielen Silberringen, Bart und Jesus-Frisur sieht er aus wie der Wiedergänger eines klampfenden Liedermachers aus den Seventies, Typ Zupfgeigenhansl. Er singt mit gar nicht so besonderem Timbre hinreißend, steigert sich gewaltig, gibt mehr die männliche intensive Diva als den von des Gedankens Blässe angekränkelten Dänenprinz. Das gefällt uns freilich sehr.

Er konveniert zudem perfekt mit Diana Damraus Garderoben – ja: Mehrzahl! Das ist sie ihrem Publikum schuldig. Jungmädchenhaft trippelt sie seitlich gewendet herein, das Blondharr ein wenig hochgesteckt, ein wenig lockig fallend. In silbrig großzügige Falten gehüllt, mit leicht lilaschimmernder Stola, sittsam, trotz Dekolletee. Zum Gang ins Wasser wird dann von Ophélie freiflutend psychedelisch Geprintetes im Grundton Gelb angelegt, mit fließender Stola in Rosa und wallendem Halsband. Als wäre sie auf dem Weg zum Campari-Cocktailempfang in die Via Veneto. Das lenkt geschickt ab, dass die Damrau-Höhe inzwischen angekratzt ist, geschickt gespielt umfahren, dramatisch wettgemacht wird, was an freien Spitzentönen fehlt. Die Stimme ist sehr reif für diesen juvenilen Charakter;  anderseits hat sie mehr Fleisch auf den Vokalrippen als so manche, nur flötende und fiepsende Nachwuchskolorateuse. Aber wo soll das karrieremäßig hinführen? Die neue Saison bringt als Debüt die Amelia (eine Jenny-Lind-Rolle!) in Verdis „I masnadieri“ an der Bayerischen Staatsoper. Wir sind gespannt.

Alle weiteren Nicht-Shakespeare-Beteiligten: sehr solide, der fluide Philippe Talbot etwa singt sein Laertes-Arioso im Smoking und ebenfalls mit schwarzem, offenem Hemd. Hat der sich mit seinem König abgesprochen? Die Comprimarii der Deutschen Oper, allen voran der wohlig dröhnende Vatergeist von Andrew Harris, sind von Castingchef Christof Seuferle auf Frack, Fliege und weißes Hemd geeicht worden. Vokal wie stofflich sitzt alles, ebenso beim Chor und dem Orchester. Yves Abel trägt schwarzes Hemd offen über der Hose, das verschwitzte wird nach der Pause gewechselt. Und ein wenig hemdsärmelig dirigiert er auch. Freilich hat er alles, auch das wunderfeine Saxophonsolo im Festbild fein im Griff. Es blöckt bisweilen ein wenig nach Verismo, aber das tut Ambroise Thomas immer wieder toller, aber auch streckenweise rachitischer Musik sehr gut. Das hat, gutgekühlt, Zug und Schmackes. Die Kleidung als Ausdruck der Musikzierhaltung – hätte fast inszeniert sein können. Und damit findet die Berliner Opernsaison ein durchaus elegant lässiges Ende.

Der Beitrag Ins Wasser auf die Via Veneto: Eine Konzertkleiderkritik zum Thomas-„Hamlet“ mit Diana Damrau an der Deutschen Oper Berlin erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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