Nein, keine Anna, dafür Annette. Dasch. Zwei, drei unverschähmte Buhs vermeint man in dem aufbrandenden Applaus für die überglückliche Einspringerin bei ihrem Solovorhang auszumachen, ebenso wie für den diesmal eigentlich (bis auf das Deutsch) sehr korrekten Telramund Tomasz Konieczny – den das Publikum in seinem Strampler offenbar erst beim zweiten Mal wirklich erkennt. Ansonsten ist die per Instgram gerade durch aserbaidschanischen Blingbling-Hotelsuiten führende und auch vor Bett und Badewhirlpool nicht halt machende Anna Netrebko auf Erschöpfungsparty kaum ein Thema. Bayreuth ist Bayreuth und nicht Starzirkus.
Yuval Sharons „Lohengrin“ scheint im zweiten Jahr ein wenig belebter, etwas schärfer. Immer noch ist das eine auf Tabaleux-Bildwirkung setzende Gucklabsal, im Vergleich zu vielen anderen, sinnlos verwuselten Opernproduktionen. Ein einfaches Märchen im schrägen Munchkin-Look der Fantasyzwerge aus dem „Wizzard of Oz“ als deutsche Romantikoper mit fliegenden Laserschwert-Kindlein. Geht doch! Und wenn am Ende die störrische Elsa mit ihrem grünen Grasmännchenbruder Gottfried in Mennigerot ihr Glück mit dem Tornister anderswo sucht, dann wirkt sie diesen Sommer nicht viel anders als die dauerprotestende Greta T. auf dem Landweg zum Klimagipfel.
Annette Dasch, sie hat bereits einen Elsa-Einspringer für Camilla Nylund diese Festspielzeit hinter sich, singt das handfester, konkreter. Ihre Höhenprobleme umschifft sie gekonnt, bei ihr ist das Fräulein aber zupackender als bei Anja Harteros, weniger esoterisch. So glaubt man ihr den eigentlich von Anfang an eingeschlagenen Emanzipationsweg.
Man genießt die vielen Blau und Grautöne, Reinhard Traubs Lichtspiele und Stromblitzezucken im Rundhorizont-Bühnenpanorama von Neo Rauch, die altmodischen Verwandlungstricks, Rosa Loys schräg-altmodische Histokostüme mit einem Touch Leipzig Gothic. Und natürlich die kleinbürgerlichen Fesselspiele im Brautgemach. Superb ist wieder Piotr Beczala als Tenor-Heilsbringer im Mechanikeroutfit, auch wenn er im dritten Akt bisweilen etwas trocken klingt. Ein hehres Wunder ist freilich wieder die hinreißend gestaltete Gralserzählung. Und Elena Pankratovas fiesfeiste Ortud als böse Flügelfee mit Omahandtasche singt mit der lodernden Emphase des Bortschtbelt, leider versteht man auch bei ihr so gut wie gar nichts.
Großes Lob Eberhard Friedrichs transparent aufgefächerten Chören. Georg Zeppenfelds verpeilt armeflatternder König Heinrich singt mit schlankem Basssilberton, der flügellose Heerrufer von Egils Silins fügt sich trefflich in Klangfarbenbild. Christian Thielemann wurde abends vorher als „Tannhäuser“-Einspringer für Valery Gergiev (des Mutter gestorben ist) seinen Bayreuther Musikdirektorenpflichten gerecht. Mit dem „Tristan“, dem er ebenfalls vorsteht, dirigiert er so viele verschiedene Opern wie wahrscheinlich seit Jahrzehnten nicht mehr. Vorspiel und die ersten zwei Drittel des ersten Aktes tönten doch sehr bedächtig, pauschal, dann aber nahm die Schwanenrittermär mit dem weißen Plastikflügel Fahrt und Furor auf. Und schließlich war man mit einem rundum festspielwürdigen „Lohengrin“ sehr zufrieden. Von Anna N. redete da längst keiner mehr.
Der Beitrag Der Bayreuther „Lohengrin“ im zweiten Jahr: Und Greta geht zum Lichtbogen erschien zuerst auf Brugs Klassiker.