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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Kulturpolitik in Wuppertal und Salzburg: ein Trauerspiel, auf Kosten der Steuerzahler

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In Streitfall um die fristlose Kündigung von Adolphe Binder, der letztes Jahr nach nur einer Spielzeit fristlos gekündigten Intendantin des Wuppertaler Tanztheater ist jetzt alles klar: Das Landgericht Düsseldorf hat in zweiter Instanz entschieden, dass die Kündigung unwirksam ist. Revision ist nicht zugelassen. Adolphe Binder darf am Tanztheater Wuppertal bleiben. Aber erst im Januar 2020 wird entschieden wie und unter welchen Konditionen. Die zerstrittenen Parteien mögen sich einigen, gab ihnen der Richter mit auf den Weg. Ob es dazu kommt? Der neue Geschäftsführer hat – wohl qua seines Amtes – bereits jetzt schon wieder gegen Binder gehetzt, dabei war sein Vorgänger wohl einer der Hautdrahtzieher im Intrigenstadel. Die abgeschmetterten Beschuldigungen gegen Binder betrafen in erster Linie die Vorlage eines angeblich mangelhaften Spielplans für die Saison 2018/19 und Binders Führungsstil. Wie jetzt im Vorfeld der neuerlichen Verhandlung bekannt wurde, traf man sich deshalb in kulturpolitischen Kreisen der Stadtpolitik, um Binder mit völlig fingierten Anschuldigungen aus dem Amt zu drängen. Dafür wurde sogar ein PR-Berater engagiert, der diese Lügen an die geneigte Presse durchstechen sollte – darunter an die Ex-Lebensgefährtin des Ex-Geschäftsführers, die bereits von Anfang an öffentlich gegen Binder gehetzt hatte. Bisher nicht geklärt ist dabei vor allem auch die Frage, welche Rolle dabei der Pina-Bausch-Sohn und Erbe Salomon spielt, dessen Stiftung mit viel Bundeskulturgeld unterstützt wird, der aber vor allem ein Interesse hat, dass die Bausch-Tantiemen fließen. Als Adolphe Binder gleich zwei Uraufführungen ansetzte (was ihr Auftrag war), die von den internationalen Koproduzenten des weltweit gastierenden Tanztheaters sofort freudig gebucht wurden, konnte das nicht in seinem Sinne sein, denn damit wird weniger Bausch exportiert.

Leider hat auch Pina Bausch selbst zu den desolaten Strukturen beigetragen, unter denen sich jetzt die Leitung dieses weltberühmten Ensembles zerlegt, unterstützt von einer besonders dämlich-provinziellen Kulturpolitik. Bausch selbst hat irgendwie geherrscht, kein andere durfte ran, aber Kompetenzen waren nie richtig geklärt. Die klamme Stadt scheint restlos überfordert, und innerhalb der Companie kosteten die Diadochenkämpfe, angefacht vom Rechteinhaber, seit dem überraschenden Bausch-Tod vor zehn Jahren bereits diverse Geschäftsführer und Berater. Siegesgewiss hat man nach dem unverantwortlichen Binder-Rauswurf, deren Reputation jetzt mühsam wiederhergestellt werden muss, bereits eine neue Chefin eingestellt. Ob die beiden Damen zusammenarbeiten können oder wollen? Andernfalls muss eine abgefunden und Schadensersatz gezahlt werden. Aber Wuppertal hat es ja….

Nicht weniger absurd geht es bei den Osterfestspielen Salzburg zu, worüber jetzt die „Salzburger Nachrichten“ einen Briefwechsel veröffentlich haben, der an Pikanterie kaum zu überbieten ist und über den schon während der aktuell laufenden Festspiele eifrig geklatscht wurde. Denn die ohne Not auf das gleich Gleis gesetzten, aber frontal aufeinander zufahrenden Züge Christian Thielemann (Künstlerischer Leiter bis 2022) Nikolaus Bachler (Kaufmännischer Geschäftsführer ab 2021 und künstlerisch gesamtverantwortlicher Intendant ab 2022) sind zum ersten Mal zusammengekracht.

Ihre erste persönliche Begegnung im Beisein des Staatskapellenvorstands in Bayreuth (!) erbrachte nur, dass man sich nicht mag und nicht aufeinander eingehen wird. Das hat dann Bachler Ende Juli noch einmal in einem geharnischten Brief an Thielemann deutlich gemacht, in dem er jegliche Leitungskompetenz ab 2022 einfordert und die Verträge für die wegen der langen Opernvorlaufzeiten geplanten Produktionen von „Lohengrin“ (2022) und „Elektra“ (2023) nicht gegenzeichnen will. Der düpierte und vorgeführte Thielemann, dem also bei einem Minifestival mit einer Oper und drei Konzerten von Bachler jegliche Entscheidung abgesprochen wird, denkt aber nicht daran, abzuspringen. Eben hat sich sein Vertrag bis 2022 verlängert, der der Kapelle läuft momentan bis 2020, er will das aussitzen, möglicherweise bis zur Unregierbarkeit der Festspiele, die dann keinen Spielplan mehr haben, wenn man sich nicht einigt. Ähnliches war schon mit unvereinbaren Verträgen zwischen ihm und Serge Dorny in Dresden geschehen, der Vertrag des rausgeworfenen Dorny (der geklagt und Recht bekommen hatte) musste ausgezaht werden.

Anderseits hat Thielemann mit dieser Planung neuerlich seine Faulheit vorgeführt. Natürlich können wiederum die Osterfestspiele kein Interesse daran haben, dass er dort  – nach einer „Turandot“ 2021, wohl mit Anna Netrebko – 2022 „Lohengrin“ aufführt, den er gleichzeitig in Bayreuth dirigiert, zudem mit den von dort bereits bekannten Interpreten Piotr Beczala (Lohengrin) und Elena Pankratova (Ortrud). So günstig hat höchstens noch Karajan gemolken. Und auch die „Elektra“, die Katharina Wagner inszenieren soll (Exklusivitäten gelten heute wohl nicht mehr, gleochwohl ein No-Go für Bachler), hat er schon in Dresden viel billiger dirigiert.

Bachler, der auf seiner neuen Austragsstelle auch gegen den gegenwärtigen Intendanten Peter Ruzicka gehörig hetzt, will angeblich den ihm bestens vertrauten Kirill Petrenko samt Berliner Philharmoniker wieder nach Salzburg zurückholen. Die haben noch bis 2022 einen Vertrag in Baden-Baden und bekräftigen leutselig, wie gut es ihnen da gefällt. Wer den Switch nach Salzburg finanzieren soll (die Staatskapelle Dresden ist viel günstiger und als Opernorchester besser), steht freilich in den Festivalsternen. Denn den Osterfestspielen geht das Geld wie das Publikum aus.

Thielemann hat den Schwarzen Peter jetzt zu Recht dem Aufsichtsrat der Osterfestspiele zugeschrieben, der für diese absurde Personenkonstellation und die noch absurderen Verträge verantwortlich ist. Der wiederum hauptsächlich von Vertretern der öffentlichen Hand besetzt ist, während das Festival zu 90 Prozent privat finanziert wird. Wie schreiben doch die „Nachrichten“ so schön? „Die Gesellschafter der Osterfestspiele könnten Thielemann schriftlich kündigen, und zwar bis April 2020, damit sein Vertrag nicht über 2022 hinaus verlängert würde. Dies wäre delikat: Damit gäben die Salzburger – Stadt, Land, Tourismusfonds (je 20 Prozent der GmbH), Karajan-Stiftung (25 Prozent) und Förderverein (15 Prozent) – einem weltweit begehrten Dirigenten, der vor allem mit Wagner und Strauss brilliert, den Laufpass.“ Salzburg halt…Fortsetzung folgt.

Der Beitrag Kulturpolitik in Wuppertal und Salzburg: ein Trauerspiel, auf Kosten der Steuerzahler erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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