„Historischer Moment in der klassischen Musikgeschichte Japans: Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin brachten erstmals sämtliche Bruckner-Sinfonien in der Tokioter Suntory Hall zur Aufführung“. So posaunt es die Pressemeldung der Staatsoper in die Welt. Schön für die Japaner – und für die Taschen von Daniel Barenboim. Zudem hatte der Maestro noch eine bahnbrechende Weisheit im Gepäck: „Wenn man zwei oder drei Sinfonien Bruckners erlebt, hört man die Gemeinsamkeiten – wenn man aber den kompletten Zyklus hört, erkennt man auch die Unterschiede.“
Die Berliner Steuerzahler, die für dessen Grundgehalt sowie das der im Ausland gastierenden Staatskapelle aufkommen, hatten aber das Nachsehen. Denn auch wenn sich der örtliche Tourveranstalter sicher ist, dass das Event vom 9. bis 20. Februar 2016 auch nach Jahrzehnten unter den japanischen Musikliebhaber ein Gesprächsthema sein wird, in Berlin war in der Zwischenzeit Schmalhans Küchenmeister. Und das seit dem 24. Januar, der letzten „Ariadne auf Naxos“ der Staatskapelle! Danach gab es nur Kammeropern mit der um Substituten erweiterten, daheimgebliebene Staatskapellen-Strafkompanie von höchstens 15 Musikern.
Doch damit nicht genug: Ab dem 3. März ist zwar die Staatskapelle endlich wieder im Schiller Theater zu erleben – mit viermal hintereinander „Giselle“! Nichts gegen das Adam-Ballett, aber wer will das in so dichter Abfolge sehen und hören? Welches Publikum soll den Tanzmarathon (armes Corps de ballet!) füllen?
Und auch dann gibt es den ganzen Monat über gerade einmal acht Opernvorstellung: zweimal die uralte „Zauberflöte“ und je drei Mal, bis zu 260 Euro teuer im Rahmen der „Festtage“, die Premiere von Glucks „Orfeo ed Euridice“ und „Parsifal“ mit Waltraud Meier letztmals als Kundry. Ausverkauft ist freilich nur die Premiere. Wollen die Berliner und ihre Gäste nicht mehr oder ist es ihnen zu teuer? Den Verantwortlichen in der Oper wie in der Kulturverwaltung sollte diese seltsame Spielplangestaltung als Verknappungspolitik schon mal zu denken geben… Denn im folgenden Jahr sind Barenboim & Co. mit dem Bruckner-Paket bereits wieder in der neuen Philharmonie Paris und in der New Yorker Carnegie Hall zu hören. Und in Berlin herrscht sicher wieder Kappellenödnis!
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