Der Sommer war groß, die Musikfeste waren viele, aber jetzt ist doch noch Zeit, einen Abstecher ins Schweizer Saanenland zum Gstaad Festival zu machen. Gemäß dem doch erstaunlich vielgestaltigen, sich über fast zwei Monate hinziehenden, von Festchef Christoph Müller ausgegebenen und sehr abwechslungsreich variierten Motto „Paris“ reise ich diesmal über den Lac Léman, also den Genfer See, aus der französischsprachigen Schweiz an. Windungsreich kurvt das Bähnchen von Montreux über den in zartem Sonnennebel blaugrau glitzernden See zwischen den Weinbergen empor, bis es ins hügelige Berner Oberland geht. Märchenwelt pur, so richtig sommersatt.
Vom Puppenstubenbahnhof Schönried sind es – noch mit dem Koffer – nur ein paar Meter zum Châlet Sandra. Da nämlich hat die immer zum Festivalfinale fidel fiepsende Baroque Academy von Maurice Steger einen ihrer Unterrichtsorte. Sonst eine teure Internat-Dependance, schwingt jetzt die legendäre Teilzeit-Köchin Eliza (eigentlich ist sie Psychotherapeutin, das passt) hier den Löffel und umwärmt mit ihrer Fürsorge. Zitronengraspastinakensuppe, Bolognese und mit Basilikum marinierte Wassermelonen stehen liebevollst angerichtet bereit. Und die Kekse! Da fühlt man sich sofort angekommen, taucht ein die Akademisten und die Handvoll Yungsters am Blasrohr, die hier ungeheuer enthusiastisch seit letztem Jahr mittun dürfen. Der 15-Jährige sieht aus wie 12, der 13-Jährige wie 15, Wunder der Pubertät, spielen tun sie aber alle toll.
Das hört man gleich beim nachmittäglichen Pop-Up-Abschlusskonzert der ganz Jungen, die sich mit Steger und allen anderen Dozenten vor ihren Fans in der Halle des wie stets äußerst gastfreundlichen, die Musiker umsorgenden Wellness-Hotels Ermitage auf das Schönste produzieren. So viel Spaß und Aufbruchsfreude, so viel Können, Wissen und Engagement. Und dann noch lecker Kuchen!
Abends gibt es in der heimeligen Kirchen von Zweisimmen ein hinreißend witziges Concert Comique, extra für das Festival zusammengestellt und mit schrägen, viel Barock-Wissenswertes transportierenden Causerien des sich auch als historisch gewandeter und geschminkter Tanzmeister produzierenden Stephane Mester vorgetragen. Da haben alle mit Werken von Antoine Desplanes, Michel Pignolet de Montéclair, Michel de la Barre, Joseph Bodin de Boismortier, Michel Corrette, Marin Marais und Arcangelo Corelli ihren Spaß und ihre Kleinmeister-Freude.
Man entdeckt Musik, man lauscht Könnern wie Gamben-Königin Hille Perl, die hier auch schon zum wiederholten Mal unterrichtet, aber hinterher auch ganz bremisch trocken von ihrem Steuerärger und dem Sorgen um ihren austrocknenden Waldbesitz berichtet.
Um Mitternacht hat Eliza noch zum gemeinsamen Mahl aufgekocht, aber heute geht es hier gleich weiter im Livestream der Baroque Academy des Gstaad Festivals. Viel Spaß dabei.
Der Beitrag Gstaad Festival I: Maurice Stegers Baroque Academy in vollem Schwung – und heute mit Livestream erschien zuerst auf Brugs Klassiker.