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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Was gibt’s Neues Pussy? In der konfusen Baumgarten-Inszenierung von „Belshazzar“ schießt in Zürich Jakub Józef Orlinski den Händel-Vogel auf der Großkatze ab

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Seit dem so konfus gedachten wie hässlich anzusehenden, dabei höchst unlustig inszenierte Bayreuther „Tannhäuser“ weißt die Opernerfolgskurve von Sebastian Baumgarten entschieden nach unten. Nur in der Schweiz hofiert man ihn noch. Zum Spielzeitauftakt gleich doppelt. Nach Nonos alt gewordenem Antikapitalismusspektakel, das der Regisseur eben in Basel einigermaßen aufgemischt hat, folgte am Opernhaus Zürich gleich danach das wegen seiner vergleichsweise kraftvollen Handlungsstruktur regelmäßig auf der Bühne auftauchende Händel-Oratorium „Belshazzar“. Für Baumgarten natürlich Anlass, beim biblischen Krieg zwischen den Babyloniern und den Persern, bei dem die vom König Belshazzar entführten und gefangengehaltenen Juden am Ende die lachenden Dritten sind, mal wieder kräftig mit geopolitischen Versatzstücken zu hantieren. Die sind ein wenig grob gezimmert, immerhin hält er sich weitgehend an die von Charles Jennens vorgegebene, ohne viel Überschreibungen auskommende Libretto-Handlung. Auch wenn am Ende die Israeliten auf dem Weg zurück nach Jerusalem auf der menetekelnden Videowand von einer klimakrisenbedingten Naturkatastrophe in die nächste schlittern.

Fotos: Herwig Prammer

Babylon ist bei Baumgarten eher Babylwood, so bunt und trashig geht das auf Barbara Steiners Bühne zu. Die Perser kommen mit Persianer-Papacha und in Leder als Uniformfetischisten: An ihrer Spitze der kommende Countertenorstar Jakub Jozef Orlinski. Er singt seinen Cyrus mit Schneid und bisweilen angriffslustig blitzender Schärfe, ein operettenhafter Soldat, der zum Höhepunkt auf einem vier Meter langen, mit Kopf und Schwanz wackelndem Puma als Bilderbuchmacho posieren darf. Doch er hat auch schmachtend flirrende, introvertierte Töne übrig, bis er mit den Juden hinternwackelnd ins Finale marschiert.

Was also gibt’s sonst Neues, Pussy? Wenig im Baumgarten-Fundus. Die Juden haben neongrüne Siebenarmleuchter nebst Idolen ihrer jüngere Geistesgeschichte auf den T-Shirts und jammern meistens, was er Chor aber sehr gut vollführt. Die Perser könnten in ihrem bunten Folklorekleidern und mit ihren hippieesken Psychedelic-Götzen auch gleich in der nächsten „Hair“-Inszenierung Verwendung finden. Hinten begrenzt eine schwarzglänzende Mauer als Palast wie Verteidigungswall die Bühne. Doch keine gotteszornige Flammenschrift erscheint an der Wand, nur ein zeitgemäßes Tattoo auf Belshazzars linkem Arm.

Jakub Jozef Orlinski, Op

Den hier eher beherrschten Tyrannen singt Mauro Peter mit monochromem Tenor. Dafür gibt es ein Rollo, kreischig wie eine Kinoreklame, eine hässlich orientalische Stadt und Gefechte, Palmen und Rembrandts turbanbehüteten Belshazzar zeigend. Dahinter offenbart sich betonbrutal und stacheldrahtbekrönt  so was wie der israelische Schutzzaun zu den Palästinensergebieten. Passt ja fast irgendwie immer.

Das Unbehagen als echten Weltgeschehen im historischen Theaterspiel, irgendwie mag dieser Kurzschluss mal wieder nicht funktionieren. Auch wenn einmal mehr ein Kamerateam mit Fellmikro herumwuselt und Scheinwerfer rumgeschoben werden im sowieso ziemlich durcheinanderpurzelnden Geschehen. Oder ist alles mal wieder nur Theater? Zumindest Prophet Daniel (die sehr brave, zurückhaltende Tuva Semmingsen) befragt immer wieder so eine Art in grün gebundenes Drehbuch, aus dem sich der göttliche Ratschlag aber auch nicht erschließt.

An einem Stadtmodell wird mit viel Nebel und Beleuchtungseffekten herumgedoktert. Und wir von den Persern zwecks Stadteinnahme der Euphrat umgeleitet, dann wabern ebenfalls die Schwaden; dazwischen aber singen possierlich schlammige Wassergespielen. Manches in die falsche Richtung verschossenes Geckhafte ist eben schon unfreiwillig regietheaterkomisch.  

Dem setzt Laurence Cummings an der Spitze der hausbewährten Alte-Musiktruppe La Scintilla einen kraftvoll zupackenden, gar derben, dann aber auch wieder zwitscherfeinen, aber immer robusten Händel-Klang entgegen, forsch bewegt er sich voran. Vokal irrlichtern dazwischen noch die zartfühlende, koloraturenhelle Layla Claire als Belshazzar-Mama Nitocris im schrillen Cleopatra-Look, die – selbst Jüdin geworden – vergeblich zwischen den Völker und Religionen vermitteln will sowie der nette, bassgemütliche Gobrias von Evan Hughes. Ein konfuse Unternehmen. Aber musikalisch hört man gern zu.

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