„Fragen Sie mich nach einem absoluten Lieblingskomponisten, so würde ich ohne lange zu zögern, Franz Schubert sagen.“ Ein deutliches Bekenntnis von einem von dem man das wohl nicht unbedingt erwartet hätte. Gilt doch der russische Meisterpianist Arcadi Volodos für gemeinhin immer noch als einer, der furchtlos die Finger wirbeln lässt, der einen dämonischen Sog der Virtuosität zu entfesseln vermag, der mit Liszt und Prokofjew, Skrjabin und Rachmaninow auf Du und Du ist. Stimmt, der heute 47-Jährige kann diesem Klischee des russischen Pianisten alter Schule entsprechen. Mühelos ist sein Anschlag, fast transzendent muten seine Fähigkeiten an. Aber das ist nur die eine Seite dieses universellen Künstlers. „Aber immer schon interessierte mich die menschliche Stimme, und die höre ich instrumentalisiert in ihrer reinsten Form bei Franz Schubert.“ Ihm hat Arcadi Volodos schon 2002 eine CD mit kleineren Stücken gewidmet. Und da findet man bereits – wie in der jüngsten Schubert-Veröffentlichung – einen tastenden, sensiblen und sensitiven Umgang, ein erstaunlich leises, kostbares Hineinhorchen in das Notenmaterial, und trotzdem auch den eigenwilligen, deutlichen, technisch determinierten Volodos-Zugriff. Da nimmt sich jemand zurück, macht sich zum Medium, versucht ohne Manier, sich ganz dem Inhalt dieser Musik zu verschreiben: „Mich fasziniert an diesem Komponisten immer die Traurigkeit, die Gefasstheit und diese bescheidene Ungeheuerlichkeit. Was er in seinen letzten Lebensmonaten komponiert hat – und ich bin mir sicher er wusste, dass er sterben muss – das ist völlig einzigartig, ohne Beispiel.“ Ein reifes, gefasstes Wissen. Deswegen stellt er der großen, meisterlichen A-Dur-Sonate D959 drei Menuette bei, die Volodos als imaginären Zyklus begreift und die deutlich machen, wie sehr Schubert diesen Tonfall auch in diesen scheinbaren Kleinigkeiten beibehält. Aber dieser Pianist macht auch klar, Schubert ist nicht automatisch ein leiser Komponist. Der kennt durchaus die große, auftrumpfende Geste, das Trotzige. Aber das tritt immer nur ganz kurz auf, muss sehr gut vorbereitet und dann schnell wieder zurückgenommen werden. So wie es Arcadi Volodos ziemlich meisterhaft vorführt.
Franz Schubert: Sonate D959, drei Menuette. Arcadi Voldos (Sony Classical)
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