Eine der großen CD-Überraschungen des nicht wirklich ergiebigen Jacques-Offenbach-Jahrs zum 200. Geburtstag: Die Ersteinspielung einer halbstündigen Ballettmusik aus der Zweitfassung seines ersten großen Operettenerfolgs „Orpheus in der Unterwelt“. In „Neptuns Königreich“ tanzen freilich nicht nur die Fische. Denn 1874 peppte der clevere Unternehmer Offenbach seine Orphée-Erstling auf. Alles musste opulenter, länger, glamouröser und oft auch ein wenig nackter werden. Ganze Revuebilder dienten nur dazu, Ausstattungsaufwand und möglichst viel unbedecktes Tänzerinnenfleisch vorzuführen. Also durfte in der jetzt fünfaktigen „Orpheus“-Version Euridice mit Jupiter zu Neptun reisen. Hinterher verwertete der pragmatische Offenbach daraus einige Melodien noch einmal – wie etwa ein feines Hörnersolo als Thema in „Le Voyage de la Lune“. Später mutierte das von fremder Hand zur berühmten „Spiegelarie“ des Dapertutto, die in „Hoffmanns Erzählungen“ integriert wurde. Statt Neptun im feuchten Unterwasserreich schwingt dabei sehr gekonnt Howard Griffiths am Pult des Deutschen Symphonie-Orchester Berlin das Zepter respektive den Stab. Dieses feuchtfröhliche Offenbach-Divertissement ist ein schwungvoller Strauß mitreisender Tänze, voll Varianz, Eleganz und Einfallsreichtum. Da wedeln die Fische, scharwenzeln die Oktopusse und trippeln die Hummer. Das ist spritzig, blubbert und schlägt schönste Melodiewellen. Klarinetten schimmern, Flöten funkeln, Geigen oszillieren. Es galoppiert in Formation und baut sich zum lebenden Klangbild auf. Und einen weitausufernden, ozeanisch-satten Walzer gibt es natürlich auch. Nur Esther Williams fehlt als geschmeidige Hollywood-Wassernixe.
Jacques Offenbach: Le Royaume de Neptune. Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, Howard Griffiths (cpo)
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