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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Brugs Beste 2019 – ein CD-Adventskalender: XXIII. Wie uns Dina Ugorskaja über ihren allzu frühen Tod hinaus mit Schubert beschenkt

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Natürlich gab es auch im Jahr 2019 einige teure Tote zu beklagen: Mariss Jansons, Jessye Norman, Hans Zender, Theo Adam, Michael Gielen oder André Previn. Fast alle wurden sie sehr alt, ihre Mission war vorangeschritten oder erfüllt. Aber es gab auch die, die viel zu jung aus dem Leben gerissen wurden, so wie die Straßburger Opernintendantin Eva Kleinitz, die am 30. Mai erst 47-jährig den Kmapf gegen den Krebs verloren hat. Sie immerhin war schon in ihren jungen Jahren eine Leuchte des Betriebs, beliebt, geschätzt, geachtet. Und dann sind auch noch die, die vielleicht nie wirklich die Beachtung erfahren hatten, die sie eigentlich verdient hätten. So wie beispielsweise die Pianistin Dina Ugorskaja, die am 19. September erst 46-jährig ebenfalls an Krebs gestorben ist. Die in Leningrad geborene Tochter des Pianisten Anatol Ugorski hatte ihren ersten öffentlichen Auftritt im Alter von sieben Jahren in der Leningrader Philharmonie. Mit 14 Jahren bestritt sie ihr erstes Orchesterkonzert mit Beethovens 4. Klavierkonzert. Mit 15 gab sie ihr Debüt als Komponistin, als ihr Streichquartett in der Leningrader Philharmonie aufgeführt wurde. 1990 reiste die jüdische Familie nach Deutschland aus, Dina studierte in Berlin und Detmold. 2016 wurde sie Professorin Wien. Daneben war sie auch regelmäßig öffentlich zu hören, aber aus dem Schatten ihre Vaters trat sie nicht wirklich. Es gab einige CDs bei dem kleinen Label CAvi, späten Beethoven, Händel, Schostakowitsch und eine gemeinsame Aufnahme mit ihrem Vater der Doppelkonzerte von Bach und Mozart. Aber erst ein posthum veröffentlichtes Doppelalbum mit Schuberts Sonate Nr. 21, Moments musicaux und weiteren kleinen Klavierstücken offenbarte noch einmal die ganze, wunderbar reiche Fülle und Tiefe ihrer Begabung und ihres analytischen Denkens, das dann aber umso mehr zu organischer, natürlicher Interpretation wurde. Das spielt jemand ganz ehrlich, einfach und durchsichtig. Glasklar sind die Noten gesetzt, schnörkellos ist die Phrasierung. Und da lässt sich jemand viel Zeit, horcht dem Verklungenen nach, wie hören ihren Atem. Ein Traurigkeit, gepaart mit Unendlichkeit, ist da zu spüren, eine Gefasstheit in der schmerzlich lächelnden Moll-Schönheit Schuberts, der ebenfalls wusste, dass er früh sterben muss. Und auch wenn man das nicht weiß: Dina Ugorskajas Spiel ist so essentiell auf das Wesentliche reduziert, dabei weich, reich und lebensfroh. Es soll, es muss weitergehen, nachklingen, zumindest in der Musik aus Schuberts letztem Lebensjahr. „Schuberts himmlische Längen begleiten mich mein Leben lang“, teilt Dina Ugorskaja im Booklet der CD mit, „die Zeit scheint in dieser Musik manchmal ganz stehen zu bleiben. Der Schmerz, das Unerträgliche, Abgründe, Ausweglosigkeit überwältigen uns.“ Bach und Beethoven waren ihre Favoriten am Klavier, doch mit dieser schönen, weisen Schubert-Platte hat sie die Nachwelt gerührt und beschenkt.

Franz Schubert: Klaviersonate D.960, drei Klavierstücke D.946, Moments musicaux D.780, Dina Ugorskaja (CAvi)

Der Beitrag Brugs Beste 2019 – ein CD-Adventskalender: XXIII. Wie uns Dina Ugorskaja über ihren allzu frühen Tod hinaus mit Schubert beschenkt erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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