Es ist vorbei. Sarah Willis verteilt nachts um halb eins im Oratorio Filippo Neri von Havanna Dankeskarten an alle, selbst die Katze, die nachts zuvor in mitten in die Kadenz gejault hat, würde jetzt eine bekommen. Und angestoßen wird im Kleinen Hof hinter der Kirche, die dem Lyceum Mozartiano als Konzertsaal dient, nicht mit Cuba Libre oder Mojitos, sondern mit eiskaltem Budweiser. Und selbst die Küchenhilfen bekommen noch eine eigens geducktes Bildbillet. Ja, es war sehr anders, hier Mozart und Mambos, aber eben auch Mozart-Mambos aufzunehmen, das war schon ein sehr besonderes Unterfangen. Aber es hat sich gelohnt. Zwei Wochen, in denen man sich immer fragte, wann die umtriebige Hornistin der Berliner Philharmoniker, die nicht nur dauernd spielen musste, sondern auf deren sehnigen Schultern auch ziemlich viel Verantwortung lastet, einmal schläft. Nun aber ist eine ziemlich mitreißende CD im Computer, so zumindest der animierende Eindruck beim Mithören. Und auch Tonmeister Christoph Franke und sein Assistent vom Berliner Teldex Studio sind zufrieden. Die Mozart-Werke, darunter auch das etwas apokryphe Rondo KV 371 klingen plastisch und mitreißend, Sarah, die sich sonst eher als Animatorin denn als Solistin sieht hat ihr Bestes gegeben. Und die jungen Musiker des Orquesta del Lyceum de la Habana klingen saftig, sind rhythmisch im Lot, spielen mit Verve und Esprit. Jetzt werden an jeder Ecke Fotos gemacht und gleichzeitig Kabel gerollt, letzte Honorare bar bezahlt. Und die sehr gut deutschsprechende Orchestermanagerin Gabi wundert sich einmal mehr, wie deutsch effizient das alles funktioniert hat: „Wie haben zum Beispiel gar keine Tonmeister, bei uns schaut man nur das das Equipment richtig aufgebaut ist, ob wir richtig oder falsch spielen, darum müssen wir uns selbst kümmern.“
Für „Mozart y Mambo“ war freilich mehr zu tun und zu organisieren als nur Aufnahmen. Sarah Willis hat das gut durchgeplant und erkannt. Auch die Optik ist für eine solche exotische Location wichtig, hier wird nicht nur Musik präsentiert, sondern auch eine Geschichte erzählt. Die Major haben da schnell abgewunken, zu komplex, passt nicht ins Konzept, aber Outhere mit seinen diversen Labeln, fand das ein spannendes Projekt und beteiligte sich für sein Inprint Alpha Classcis.
Der aus dem operativen Geschäft ausscheidende Gründer Charles Adriaenssen ist auch vor Ort, sucht nach kubanischen Verbindungsleuten, interessiert sich für die Konzertarchive. Danach geht es für ihn nach Mexiko weiter, Südamerika, das ist für ihn künstlerisch und marktstrategisch noch ein Platz mit Zukunft.
Nach dem erstem Aufnahmetag, Konzert plus Korrekturen, stand für alle Beteiligten etwas Ruhe auf dem Programm, auch der Himmel schickte nachmittags einen kräftigen Schauer, der die Luft klärte. Doch vor dem Kloster spielten die Salsabands und Perkussionstruppen in den Restaurants und auf den Straßen von Habana Veja einfach weiter. Und auch im Domizil von Sarah & Friends sangen Kinder eine ziemlich bunte Weihnachtsliedermischung.
Währenddessen gibt die technische Arbeit weiter. Die Dokufilm-Crew war mit Sarah und allein in der Stadt unterwegs um schönen Kubabilder zu finden, andere checkten schon mal das Material durch. Audio-Files wurden nach Deutschland geschickt, Pläne und Kalkulationen gemacht. Für die meisten hier war das harte Arbeit, trotz der nach wie vor traumhaften Urlaubskulissen. Abends, natürlich wieder erst ab zehn Uhr wurde bis spätnachts weiter aufgenommen. Jetzt die populären Songs. Auch das mit großem Enthusiasmus wie Disziplin.
Am nächsten Morgen steht für Sarah Willis das Cover Shooting mit Monika Rittershaus an, man hat einen blauen Oldtimer gemietet, es geht, gut sichtbar mit Horn vor die Kuppel des Capitols und vor diverse Graffiti, die hier in Cuban Style die bröckelnden Hauswände zieren. Und um halb vier am Nachmittag gibt es einen für die Kameras lohnenden Flashmob vor dem Oratorium.
Lieber hätte man den vor der Kathedrale von Havanna abgehalten, aber diese Genehmigung war dann doch nicht zu bekommen. Die Konzertkirche liegt zwar nur einen Block neben der Osbisbo, die die Altstadt in Querrichtung von Hemingways La Floridita-Bar mit den angeblich besten Daiquris bis zum schön historischen Platz der Armeen durchschneidet, aber trotzdem verlaufen sich hierher nur wenige Menschen.
Doch das stört nicht. Das Orchester hat auch Outdoor seinen Spaß, spielt unverdrossen, Sarah tanzt, die Geigen marschieren separat ein, immer wieder bis Bildregie und Fotografen zufrieden sind.
Und noch zwei weitere Nächte lang wird aufgenommen. Sarah Willis verteilt Smarties und Schweizer Schoggi, die sie beim Umsteigen in Zürich immer für Kuba en gross einkauft. Und schon lächeln wieder alle. Mit dem Ersatztrompeter, der launische Star, der zum Konzert absagte, hat sich nur andeutungsweise entschuldigt, verbindet sich Sarahs Horn klanglich ganz fabelhaft. Man spielt auf einem Atem.
Später sind dann die Kadenzen für das Hornkonzert dran. Erstaunlich ausgeruht bläst Sarah Willis, die mit großer Ruhe. Und dann ist Dirigent José „Pepe“ Antonio Mèndez Padrón dran, auch der bekommt sein Säckchen von Sarah – mit Leinsamen und anderen Körnern, ebenfalls aus Deutschland mitgebracht, denn er backt sein Brot selbst. Ist solches das Ergebnis, wenn man bei Peter Gülke und am Salzburger Mozarteum studiert hat?
In einer Pause erzählt Pepe vom Klassikleben auf Kuba. Erist Chef eines weiteren regionalen Klangkörpers und dirigiert auch das Nationale Sinfonieorchester, doch mehr Zukunft sieht er in den Projekten des Lyceums. Hier hat er seit 2015 jährlich sein eigenes Festival Mozart Habana, dieses Jahr hat man sogar „La Clemenza di Tto“ gestemmt, natürlich mit diesem Kammerorchester. Nächstes Jahr gastieren sie damit im Kennedy Center in Washington. Seine Musiker sind so gut wie motiviert: „Sie brauchen nur bessere Instrumente. Und Saiten. Ein Mädchen, das auf einem Elektrokabel spielte hat sich schrecklich verletzt, als das riss und ihr scharf ins Gesicht schlug.“
Es geht in die Zielgerade. Keine Müdigkeit ist zu erkennen. Die TV-Leute und die Fotografin sind schon abgereist. In der letzten Session gibt es nochmals einheimische Musik, nur noch ein kleines Ensemble ist da. Und dann tönt die Stimme des Tonherren: Fertig. Alles gut. Das war’s.“ „Dies war die tollste Sache meines Lebens“, jubelt Sarah. „Ich danke euch allen. Wir sehen uns wieder zur Tournee im Sommer.“ Darauf ein Bud. Und ein letztes Mal durch die Straßen des fast menschenleeren Havanna. In denen es irgendwie nach Mozart klingt.
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