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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Österreichisches Offenbach-Doppel in Sachsen: Dresdens Staatsoperette punktet mit den „Banditen“, die Semperoper langweilt mit der „Gerolstein“

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Operettöses Elefantentreffen im Namen Offenbachs in Dresden. Noch dazu mit zwei Österreichern am Regiepult. Die Sachsen hoben an der Staatsoperette „Les brigands“ auf die Bühne (inklusive Elefantenschnitzel!), am nächsten Abend folgte an der Semperoper „La Grande-Duchesse de Gerolstein“. Beides auf Deutsch freilich. Die Räuberpistole inszenierte mit dekonstruktivistischem Knalleffekt der junge Valentin Schwarz. Alle Wege führen nach Weimar, zumindest ans Nationaltheater. Denn ein Schuss ins Schwarze war die Verpflichtung ihres ehemaligen Assistenten auch für die neue Staatsoperetten-Intendantin (und damalige Dramaturgin) Kathrin Kondaurov: wurde doch Schwarz in der Zwischenzeit von Katharina Wagner als Überraschungsei und Inszenator für den neuen „Ring“ in diesem Sommer bei den Bayreuther Festspielen aus dem Sack gelassen. Von Offenbach directement zu Wagner, von der Staatsoperette auf den Grünen Hügel, das ist als Musikwahl wie Karrieresprung so außergewöhnlich wie unorthodox. So wie aber auch schon die Dresdner Verpflichtung von Schwarz an sich – gerade im Vergleich zur der muffigen Offenbach-Verrichtung mit „Orpheus in der Unterwelt“ als erster Premiere im neuen Haus Kraftwerk Mitte. Viel mehr auf Touristen-Nummer sicher (die hier zudem samt einem nervigen Fremdenführer an Stelle eines Feindes auf der Bühne gefangen werden) ging hingegen mal wieder die Semperoper. Dort durfte sich der Operettenroutinier Josef Köpplinger vom Münchner Gärtnerplatztheater in Offenbachs bramarbasierende Militärgroteske verbeißen – herauskam eine zahnlose Harmlosunterhaltung mit einer völlig verkorksten Hauptdarstellerin, die wohl zum Lachen eher in den Keller geht. Eins zu Null also für Staatsoperette, auch wenn es dort – zu Recht – einigermaßen kontrovers zuging.

Fotos: Pavel Sosnowski

„Die Banditen“, leider 1869 kurz vor dem deutsch/französischen Krieg uraufgeführt, der ihnen kein langes Bühnenleben beschied, wurden nie wirklich bekannt. Obwohl vom Offenbach-Advokaten Karls Kraus geliebt, übersetzt und rezitiert, mit viel wertvoll spritziger Musik inklusive. Valentin Schwarz aber verwandelt die im 19. Jahrhundert so beliebte Operettenmär vom guten Räuber und den bösen Potentaten („Frau Diavolo“, „Gasparone“, „Banditenstreiche“) in fröhlichen Trash: Hier sind alle supermariodoof. Er lädt statt an die absurde, weil gar nicht existente italienisch-spanische Grenze samt Fata-Morgana-Mantua in einen sich verschwenkenden, einigermaßen dürren Karl-May-Palisadenzaun samt dörrigem Grünzeug (smarte Bühne; Andrea Cozzi).

Albernes Personal wie Hauptmann Falsacappa (plärrig: Hauke Möller), seine Tochter Fiorella (sopranfrech: Annika Gerhards) und ihre Verlobte Fragoletto (kerlig mit Auftrittsrap: Laila Salome Fischer) fackeln da eine „megageile Banditenshow“ à la Buffalo Bill in einem kreisch-künstlichen Westen ab, der von Otto Krauses campigen Kostümen knallig behübscht wird. Die kann man glatt noch für eine „Annie Get Your Gun“ verwenden.

„Exzess und Trauma“ will die Regie, durchaus auch als „Schlag ins Gesicht der Erwartungshaltung“ im Shawschen wie Brechtschen Sinne. Alles ist Spaß und Spiel, nichts Ernst zu nehmen. Valentin Schwarz braucht freilich vor lauter lastenden Theaterthesen die erste Dreiviertelstunde, bis das Tritt fasst und Rhythmus bekommt. Es wuselt allzu konfus dahin, das Mastermind will viel und alles gleichzeitig. Da verliert der Chef die Stimme und schnarrt von der Platte, Damen werden skalpiert, Tote stehen wieder auf. Dauernd werden die Perspektiven gewechselt, ein Assistent hat viel Aufräumarbeit zu leisten. Da wird zur Berliner Volksbühne geschielt, aber so virtuos hat es die Regie dann eben doch noch nicht drauf, auch wenn das Riesenensemble mit viel Spaß bei der Sache ist.

Da gibt Andreas Sauerzapf in breitem Wiener Schmäh den kakanischen Trapper Pietro, und der präzise Pointen setzende Komiker Tom Pauls steht im Finale als korrupter Finanzminister Antonio mit leeren Unterhosen und properer Gauland-Krawatte da: „Wollte ihre die totale Operette“, kreischt er kampflustig. Die Ballettpolizei trappelt zum „Botten“-Ohrwurm auf Sandwichsohlen sächselnd wie immer zu spät einher und schließt erstmal die Bühne; was alle auf die Passerelle vor dem Orchestergraben treibt, wo der zweite Akt samt „Asterix“-Fressalien zitierendem Gelage und Kidnapping in der Broiler-Bude sich drangvoll aber virtuos drängelt. Und zum Höhepunkt kommt es, als die Diva des Hauses, Ingeborg Schöpf, mit Elisabeth-Schwarzkopf-Perücke im Rollstuhl als geriatrische Prinzessin von Granada einherfährt und nicht nur ihren grandios senilen Pagen (Dietrich Seydlitz) samt Totenkopfbrigade, sondern auf rotem Kissen im Schoß auch einen goldenen Dildo präsentiert.

Das ist platt und zotig, zugegeben, aber Valentin Schwarz will einfach nur spielen, den losgelassenen Operetten-Kollektiven postdramatischen Operettenzucker geben. Das vergaloppiert sich, schießt mit bisweilen zu viel Theorieüberfrachtung und einer religiösen Choralapotheose in der Sauna zum Finale über das Klasseziel hinaus, ist aber oft originell und lebendig. Und führt das agile Ensemble weit und lustvoll aus seiner Komfortzone heraus, reißt krachend die vierte Wand ein. Das gefällt nicht jedem, es gibt ein paar Zwischenrufe, auch einige Buher am Ende. Aber weil auch das kraftvoll zupackende Orchester unter dem bewährten Andreas Schüller einen robusten, aber spritzigen Offenbach aus dem Goldenen Osten musiziert, mach der vitale Abend Spaß. Und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Modernisierung des Hauses.

Was man von der „Geroldstein“ in der Semperoper nicht sagen kann. Das beginnt schon beim dröge-plüschigen Dirigat des kaum operttenaffinen Jonathan Darlington und setzte sich in der keimfreien, witzlosen Fernsehoperetten-Anmutung in einem Allerweltbühnenbild zwischen zerschossen Schlachtenschinken und einem halbnackten Mars fort. Wenn Josef Köpplinger nicht mehr einfällt, und das ist sehr oft, dann lässt er einfach Soldaten im Tütü tanzen. Da wird zwar auch nicht gelacht, aber das Karnevalsverkaterte Publikum goutiert es.

Fotos: Ludwig Olaf

Die Choreografie (Adam Cooper) kommt von der Stange, aber natürlich kriegt das schmissige Militär-Ballett zum Dritten-Akt-Auftakt den meisten Applaus – wie eben in jeder schlechten „Gerolstein“. Keiner kann wirklich sprechen, gesungen wird medioker. Martin Winkler als tattriger General Bumm, der doch eigentlich ein gefährlicher GröFaZ sein müsste, ist eine olle Knallcharge. Nur noch übertroffen von der bärbeißigen Siegried Hauser (Eurusine), die ihre übliche Alte-Betschwester-Nummer abspult.

Die Holzenten hinterherziehende Wanda (Katerina von Bennigsen) ist ein nettes Marketenderl, ein ebenso harmloses Pepperl gibt der schlaksig spielende und singende Maximilian Meyer als Fritz. Bei Daniel Prohaskas rosagewandetem Prinz Paul langt es nicht mal zur überzeugenden Tunte (dafür darf er als einziger ein paar tagesaktuelle Pegida-Scherze machen).   

Am Schlimmsten ist aber die Leerstelle, die sich mit Anne Schwanewilms als männergeile, alkoholtrunkene Herzogin auftut. In einer Männerfresser-Glanzrolle, in der auch Operndiven von Régine Crespin bis Felicity Lott Maßstäbe gesetzt haben, ist sie witzelos, stimmschwach (bis auf ein paar zittrig hohe Töne), impotent. Sie kann nicht spielen und hat null Charisma. Eine komplette Fehlbesetzung, dabei auch alleingelassen von der Regie.

Ein spießig gestriger Offenbach-Rohrkrepierer der allerschlimmsten Sorte. Dort, wo einst Peter Konwitschny die Csardasfürstin in den Krieg jagte! An der Staatsoperette, früher Dresdens Beinchenschmeiß- und Schunkelschwofbaude, da aber wird das Frohsinnsgewerbe wieder aggressiv und modern ernstgenommen. Gut so!!

Der Beitrag Österreichisches Offenbach-Doppel in Sachsen: Dresdens Staatsoperette punktet mit den „Banditen“, die Semperoper langweilt mit der „Gerolstein“ erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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