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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Klingende Räuberpistole als surreal-nostalgischer Kinoschinken: Verdis „I masnadieri“ mit Diana Damrau an der Bayerischen Staatsoper

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Im Wald, da sind die Räuber. Im Regietheater-Inszenierungsforst, den Johannes Erath in der Bayerischen Staatsoper für Giuseppe Verdis reichlich grobes, rohes Frühwerk nach Schiller „I masnadieri“ aufgepflanzt hat, da wuchern vor allem die Symbole und Metaphern. Und das ist auch gut so, denn mit Realismus oder gar politischer Agitation kommt man diesem typischen Produkt seiner Galeerenjahre von 1847 nicht nahe. Von Schillers sturmdrängendem Banden-Furor bleibt hier nur ein angenehm gruseliges Chorsäuseln brutaler Brandschatzer im Hintergrund. Das ist alles nicht sonderlich kohärent oder gar logisch miteinander verbunden. Verdi, damals selbst am Pult stehend, hat das deutsche Drama einem italienischen Melodramma übergestülpt, zwei Männer lieben die gleiche Frau, einer macht den anderen bei Papi schlecht, darauf läuft es in kaum mehr als zwei Stunden Spielzeit, vier Akten und diversen Schauplatzwechseln hinaus. Der Komponist wollte einen internationalen Erfolg in London, hat dem Cellovirtuosen des Orchesters eine große Solokantilene für die Ouvertüre komponiert und auch dem Vokalstar, der „schwedischen Nachtigall“ Jenny Lind, genau und gustiös in die goldene Kehle komponiert. Das muss man heute nicht mehr machen, in München gab es diese Nicht-„Räuber“ vor 12 Jahren erstmals am Gärtnerplatztheater. Wenn schon früher Verdi, dann hätte dem Nationaltheater ein „Ernani“ bedeutend besser angestanden, oder für Jonas Kaufmann, den nun doch alternden Herzenstenor des Hauses, das Priesterdrama „Stiffelio“. Aber mit einer wirklich guten Cast und einem idiomatisch versierten Dirigenten am Pult des motivierten Staatsorchester wurden diese „Masnadieri“ nun ein opulent wie intelligent bebildertes Belcanto-Fest.

Fotos: Wilfried Hösl

Hollywood an der Isar. Wie ein im 19. Jahrhundert spielender MGM-Kostümschinken für, sagen wir, Olivia de Havilland (immer noch 103-jährig unter uns) sieht sich das an, mit ein wenig surrealen Universal-Horror-Untertönen, aber ohne jede Gangster-Sozialkritik à la Warner Brothers. Ausstatter Kaspar Glarner hat das geschickt als nostalgischen Kinotop in Schwarzweiß-Optik verfremdet. Da gibt es eine bedrohliche, perspektivisch bogenförmig verzerrte klassizistische Wohnhalle als Einheitsraum, hinten Treppe, rechts und links nur gemalte Fluchten. Darin kreiselt immer wieder die gleiche Esstafel für eine schräge Familienaufstellung. Ein Dinner for four ist das, denn der Stuhl der cellospielenden toten Mutter bleibt leer; dafür spielen ihr Instrument samt Kasten, Erinnerungsbild und Kleid eine heftig herumgetragene Rolle.

Rechts davon reihen sie sich auf, mal als Säuglinge, mal als Kinder, mal als singenden Erwachsene: der zum nicht mehr edlen Räuber gewordene Carlo, Cousine Amalia, von ihm geliebt wie auch vom bösen Bruder Francesco, und Vater Massimiliano, der nichts versteht, aber tief hasst. Butler Arminio wechselt liebesdienerisch die Seiten. Der weiße Sarg des bald vermeintlich verröchelnden Erzeugers spielt eine optisch bedeutende Rolle, der Christbaum wächst sich später zum Gaunerwald aus, ein paar Tierchen auf dem Servierwagen werden im Finale zur weißen Hirschherde, zwischen der sich alle, diffus dämmrig geleuchteten Verwicklungen offenbaren.

Hier glimmt die Cavatine und lodert die Cabaletta, immer und dauernd, der Chor schwingt und das Orchester tanzt. Verdi hält sich freilich schon nicht mehr an die routinierten Opernformeln, verkürzt, bricht aus, widerspricht der Erwartungshaltung. Besser wird das Opus freilich so nicht, und mit dem geliebten Schiller musste er nach „Giovanna d’Arco“ (1845) und über „Luisa Miller“ (1849) hinaus weiter ringen, bis er sich mit ihm 1867 in Paris bei „Don Carlos“ wirklich auf Augenhöhe akustisch messen konnte. Und auch den Widerhaken memorabler Melodien hat er hier noch nicht nachhaltig implantiert. Er macht Anläufe, aber das Material bleibt zu kurzatmig, ist noch schablonenhaft auswechselbar. Man hat es mit wie ferngesteuerten Opern-Avataren zu tun, noch nicht mit individuellen Klangcharakteren.

Und genau das führt Joannes Erath musikalisch dicht und spannungsvoll vor. Sein Metakommentar funktioniert vor allem auf der bildlichen Ebene, stapelt ein Klischee aufs Nächste, damit diese so in ihrer Hohlheit deutlich werden – und bietet doch dem Zuhörer eine schöne, bei aller Schicksalsschauerhaftigkeit augenzwinkernde Schauzeit.

Für die die Staatsoper ihr Silbertablett exquisit bestückt hat. Für Diana Damrau ist die Amelia eine gute Gelegenheit, ein wenig ab vom Pfad ihrer populären Rollen zu schweifen. Man hört nicht so deutlich, dass die Stimme in der Höhe dünner, so manche Passage schriller geworden ist. Im Furor der versierten Darstellerin, die eben doch eine Koloratursopranistin bleibt, spielt sich das weg. Es bleibt enorme Könnerschaft und ausgelassenen Emotion; auch wenn hier Verdi noch nicht wirklich authentische, nur ihm eigene Gefühlsregungen gelingen.

Charles Castronovo (Carlo) zeigt wieder mal die bestdefinierte Tenorbrust und singt angstfrei mit Attacke und Geläufigkeit. Was ihm an unverwechselbarem Timbre abgeht, kompensiert er mit Affektagilität und Emphase; eine erstklassige Leistung in einer zweitklassigen Rolle. Das gilt auch für den dunklen, fleischigen Bariton von Igor Golovatenko, der Cantante-Wärme hat, aber dem Schurken Francesco auch kultiviert aufraut. Mika Kares als Vater klingt fast zu jung, aber schön fest und schwarzbassig. Auch Kevin Conners (Arminio), Callum Thorpe als auftrumpfender Pfarrer Moser und Dean Power als frecher Räuber Rolla setzen da zusätzliche Tupfer im düsteren Singgemälde, das sich tableauxhaft ausstellt.

Belebt und befeuert wird es allerdings unermüdlich und liebevoll, mit Brio und schön ausbalancierten Begleitfiguren von Michele Mariotti. Der kennt diesen Italo-Tonfall, weiß ihn schlank, aber durchaus auch mit Fortissimo-Vehemenz und trockener Geschmeidigkeit biegsam zu vermitteln. Wie gesagt: Man muss die „Masnadieri“ nicht machen. Aber so munden sie.

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