Bravo! Nikolaus Bachler, noch bis 2021 Intendant der Bayerischen Staatsoper, kann sich die steirischen Hände reiben. Es gibt auch in der Spielzeit 2016/17 wieder den – so Bachler – vom “protestantischen ” deutschen Feuilleton abgelehnten Glanz und Glamour an der Isar satt. An seinem Haus sind nächste Saison alle Goldkehlen, die gut und teuer sind, zu Gast. Die Anna, der Jonas, die Karita, die Elīna, die Edita, die Joyce, die beiden Anjas, die Nina, die Diana, die Sonya, der Joseph, der Rolando, der Klaus Florian, der Plácido, der Thomas, der Mariusz, der Christian und die Kristīne, der Kirill sowieso; einfach alle, zum Teil sogar mit Mann. Höchstens die Cecilia (der ist das Haus zu groß) fehlt – und die Renée, aber die geht ja bald in Rente, bedient nur noch ihr englischsprachiges Restpublikum.
Während in der 328 Seiten (!) dicken Jahresvorschau die Regieliste der sieben Premieren mit Warlikowski („Die Gezeichneten“), Kupfer („Lady Macbeth von Mzensk“) und David Alden (Semiramide“) Bewährtes auffährt, mit Stölzl und Castelluci München-Debütanten holt, die mit „Andrea Chenier“ und „Tannhäuser“ sicher umzugehen wissen, wird die einzige, dort ebenfalls nicht unbekannte Frau, Amélie Niermeyer, mit undankbarem Belcanto („La Favorite“) abgespeist. Aber mit dem gelernten Puppenspieler Nikolaus Habjan, dem gegenwärtig alle Sprechtheater hinterherhecheln, haben Bachler und seine sechsköpfige Dramaturgen-Crew (das Haus beschäftigt sogar eine Bilddramaturgin – was ist das???) für Webers hybriden „Oberon“ wohlmöglich einen Coup gelandet. Ach ja, und ein Spielzeitmotto hat Herr Bachler auch noch ausgegeben: „,Was folgt?’ Was nichts anderes heißt als: Was sind Konsequenzen menschlichen Handelns?“ Das freilich ist ein Thema, das eigentlich in jeder Oper (Ausnahme vielleicht: Morton Feldmans Beckett-Szene „Neither“) vorkommt.
Und doch sind wir verstimmt. Denn das Bayerische Staatsballett, das sich in den letzten 25 Jahren endlich aus dem Wurmfortsatzdasein als Hupfdohlenabteilung des Vokalolymps emanzipiert hatte, wird brutal zurückgestuft. Zumindest inoffiziell. Es soll, was eigentlich Bachler Theaterideal widerspricht, offenbar einfach nur dekorativ schön sein. Und ja nicht stören. Verschiebemasse auf Spitzenschuhen eben. Dafür hat er sich als neuen Chef Igor Zelensky vom Moskauer Stanislavsky Theater geholt, der dort selbstredend weiterarbeiten wird. Der eröffnet doch allen Ernstes programmatisch mit Yuri Grigorovichs stalinistischem Sklavenaufmarsch „Spartacus“ von 1968 zur sowjetspektakelnden Krachknall-Partitur von Aram Chatschaturjan!
Dann folgt ein nicht spezifizierter „Galaabend“ mit sicher vielen Zirkusstücken aus der Russenballettmottenkiste. Vom Royal Ballet eingekauft wird „Alice in Wonderland“, ein Ausstattungsspektakel, bei dem Christopher Wheeldon die Choreografie weitgehend im Kaninchenloch verlorengegangen ist. Und eine dritte, ebenfalls noch nicht definierte Premiere, wohl Moderne dreigeteilt, kommt kurz vor den Festspielen. Klar auch, Inzucht war im Ballett immer probat, dass zur Ballettwoche Zelenskys bisherige Moskauer Truppe mit Kenneth MacMillans düsterem k.u.k-Staubfänger „Mayerling“ gastiert.
Kein einziger Tänzername der künftigen Truppe wird zur Stunde genannt. Sicher wohl wird Zelensky seine inzwischen verpartnerten Schützlinge Natalia Osipova und Sergej Polunin als Gäste präsentieren, wohlmöglich gleich in der die Spielzeit eröffnenden “Giselle” aus dem Jahr 1974. Aus dem stark dezimierten Repertoire verschwunden sind bis auf die jüngste Premiere der Ära Liska vorerst sämtliche modernen und zeitgenössischen Stücke, es gibt nur noch wenige klassische Abendfüller. Und die unkündbare Bettina Wagner-Bergelt, bisher Co-Direktorin, sieht sich wieder als Dramaturgin zurückgestuft.
Das lässt auf nichts Gutes, zumindest Zukunftsweisendes hoffen. Auch wenn Zelensky für seine zweite Spielzeit ein Stück von Wayne McGregor ankündigt sowie ein „Projekt“ über „Madame Butterfly“ mit japanischer Musik. Das soll allen Ernstes der amerikanischen Popfotograf David LaChapelle gestalten. Darin liest man dann freilich eher die berühmte Quereinsteiger favorisierende Handschrift Nikolaus Bachlers als die seines Ballettsachverwalters.
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