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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Waltraud Meiers Abschied von der Höllenrose

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WallyGötzO Klassik-Tempora, o Opern-Mores. Das wird sich innerlich sicherlich auch Waltraud Meier gesagt haben, während sie für ihre letzten drei Vorstellungen als Kundry in Berlin geprobt hat. Seit 35 Jahren singt sie die Rolle der Urteufelin, Höllenrose, wie ihr Meister Klingsor sie anruft, die rätselhaftese, komplexeste der Wagner-Partien. In Dortmund debütierte sie, 1983 begann damit in Bayreuth ihre Weltkarriere. Seither sind es 22 Inszenierungen geworden. Auf dem Grünen Hügel, bei Götz Friedrich, da war sie noch das exotische Hippiemädchen aus einem orientalischen Nirwana, zwischen rosa ausgeleuchteten, Schleier tragenden Blumenmädchen. Bei Harry Kupfer, in der Berliner Vorgänger-Inszenierung, war sie sogar mit entblößter Brust zu sehen. Zweimal wurde diese Lebensrolle auf DVD festgehalten, an der Met, unter Otto Schenk, ist sie ebenfalls die schillernde Verführerin, während Nikolaus Lehnhoff in Baden-Baden sie sich häuten ließ, verpuppen, mal glamourös, mal grau – am Ende aber überlebt sie sogar.

Und jetzt die letzten drei Auftritte am Schiller Theater in Dmitri Tcherniakovs nüchtern-abgeklärtem Berliner „Parsifal“ von letzten Jahr. Wegen Daniel Barenboim musste das hier sein. Kundry als ewige Reisende mit leichtem Weekender-Gepäck, in beiger, zweireihig zu knöpfender Jacke, Hose und Stiefel, freizeitmodegerecht. Aber natürlich ohne Aura, doch die spielt sie mit Leichtigkeit dazu. Warum schließlich ist man Primadonna? Auch das krankenhausgrüne Nachtschwestern-Wickelkleid des 2. Aktes, nachdem der Päderasten-Opi Klingsor mit seinen Fifties-Schulmädchen sich zurückgezogen hat, lässt sie schnell vergessen, so intensiv bearbeitet sie ihren reinen Parsifal-Toren im Freeclimber-Outfit. Die Meier könnte fast die Mutter von Andreas Scharger sein, man sieht es nicht – und hört es kaum.

So wie schon letzten Sommer, als sie in München von ihrer anderen Lebensrolle als Isolde gelassen hat, konzentriert, gefasst, aber mit Allüre, so konzentriert sie sich jetzt noch einmal, gibt alles, zeigt die Intelligenz, aber auch die Ratlosigkeit dieser seltsamen Frau, ihre Sinnlichkeit, aber auch ihre Kälte, Empathie und Abweisung. Getragen von Daniel Barenboim, ihrem Lieblingsdirigenten, wirft sie sich noch einmal furios in die Rolle, ist dabei aber präzise und genau in Gestik wie Gesang. Gerade die beobachtenden, lauernden Momente der Kundry, den weitgehend stummen dritten Akt spielt sie mit fesselnder Präsenz.

Man ist angerührt. Denn es ist natürlich auch eigenen Lebenszeit, die viele, von weit angereiste Fans zu diesem, ihrem vorletzten Kundry-Abend mitgebracht haben und die sie jetzt vorüberstreichen sehen. Die Meier macht es leicht. Weil sie so gut, so stark ist, bei „und – lachte“ wieder als Gänsehautmoment die Zeit zum Stillstand bringt, und dass nicht nur weil Barenboim die Generalpause besonders lang hält. Natürlich ist das keine junge Stimme mehr, aber ein erfahrene, weitgehend intakte, die mit der Fülle ihrer Möglichkeiten spielt und zaubert.

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Jede große Opernsängerin reiht sich am Ende ein in die Ahnengalerie berühmter Rollenvorgängerinnen, wird verglichen und taxiert. Das Kundry-Porträt der Waltraud Meier ist jetzt fertig gemalt und vollendet. Es ist ein besonders gutes, vielschichtiges geworden. Morgen zum allerletzten Mal zu erleben. Ihre Klytämnestra bleibt jetzt noch auf beiden Berliner Opernbühnen, an der Met, in Helsinki und Barcelona. Und die Aussicht auf die Rückkehr nach Bayreuth, als Ortrud unter Thielemann 2018, nach 18 Jahren. Und für die vielen Fans die Feier des 40-jährigen Bühnenjubiläums im Mainfranken Theater Würzburg, wo alles angefangen hat, als Liederabend mit Mahler und Wagner.

In Berlin ist es ein würdiger „Parsifal“-Abschied geworden, mit tollen Kollegen, René Pape als Gurnemanz, Tomás Tomásson als Klingsor, Wolfgang Koch als Amfortas, der sie totküsst, in die Arme des sie wegtragenden Andreas Scharger legt und selbst entseelt darniedersinkt. Denn die Maier wäre natürlich nicht die Meier, wenn sie sich nicht auch hier wieder ihre Primadonnenfreiheit in der Auffassung einer Rolle genommen hätte. Dmitri Tcherniakov lässt seine Kundry eigentlich von Gurnemanz erstechen. Fremdbestimmt sterben in ihren letzten Kundry-Bühnenmomenten, das wollte die Meier dann aber wohl doch nicht. Und klar, wer sich mal wieder durchgesetzt hat….

Der Beitrag Waltraud Meiers Abschied von der Höllenrose erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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