Die Berliner Staatsoper, da ist ein wenig die Haute-Couture-Boutique unter den Musiktheatern, die den Ton mitangeben wollen. Spielt wenig, kostet aber noch mehr, wenn man es auf die Vorstellungen runterrechnet. Im Februar waren es 13 Kammeropernvorstellungen und zweimal Dido & Aenes mit Fremdkräften, im März gab es acht Opernaufführungen im Großen Haus, im April neun (drei ohne Staatskapelle). Und inzwischen scheint sie auch zum Altersheim zu werden, wo die Belegschaft sich gern aln die seligen Zeiten von früher erinnert. So jedenfalls sehen die acht Premieren aus, von denen lediglich drei neu sind – in der deutschen Repertoiretheaterlandschaft ein ziemlich einmaliger Vorgang; weil man auch sonst nur 2016/17 einen eher überschaubaren Vorrat von 20 weiteren Stücken auf Lager hält.
Die große News: Wim Wenders macht, nachdem er den Bayreuthern 2011 einen „Ring“-Korb gegeben hat bzw. seine hypertrophen Verfilmungsvorstellungen dort nicht realisiert werden konnten, und sofern ihm nicht irgendwelche Kinopläne dazwischenfunken, nun doch Musiktheater. Ausgerechnet George Bizets nette, kleine, harmlose „Perlenfischer! Weil das, mit 70 darf man gern sentimental sein, seine erste Oper war, die er live erlebt hat. Das wäre jetzt so, wie wenn er als nächstes mit Heino Ferch „Charleys Tante“ neuverfilmen würde, weil beide so große Heinz-Rühmann-Fans sind. Und natürlich paddelt da auch Daniel Barenboim mit, denn bei großen Namen ist der gern dabei.
Zuvor dirigiert er am 3. Oktober wieder Mal einen neuen „Fidelio“, den er so liebt und oft macht. Mit Wiederholungstäter Harry Kupfer (80) am Regiepult, Roman Trekel als Don Fernando, Falk Struckmann als Pizarro und Matti Salminen als Rocco hätte das freilich auch schon in den Neunzigern stattfinden können, aber 1997 hatte Kupfer Beethovens Befreiungsoper noch auf der leeren Bühne der Komischen Oper ablaufen lassen.
Und die dritte neue Premiere, Purcells „King Arthur“, mit der er selbst in Salzburg so fürchterlich Regieschiffsbruch erlitt, die überlässt Jürgen Flimm mit René Jacobs am Pult seinem ab 1. September beschäftigungslosen Buddy Sven-Eric Bechtolf, dessen Inszenierungen in den letzten Jahren bei der Kritik – vorsichtig gesagt – nicht eben gut wegkamen. Und seine singende Freundin Annett Frisch darf Bechtolf auch noch gleich mitbringen.
Patrice Chéreau, Regisseur der aus dem Festspielsommer 2013 in Aix-en-Provence importieren eindrücklichen „Elektra“ ist leider schon tot. Terry Gilliams witzig-böse „Damnation de Faust“ stammt aus dem Jahr 2011. Die Produktion der English National Opera (war schon in Palermo und Antwerpen zu sehen) ist somit drei Jahre älter als die an der Deutschen Oper laufende Version des gleichen Stückes von 2014. Es dirigiert Simon Rattle, der Hector Berlioz’ dramatische Legende zuletzt 2015 auch bei den Berliner Philharmonikern aufgeführt hat. Alles Doubletten, der Bequemlichkeit älterer Stars geschuldet. Und natürlich ist da auch gleich wieder Lady Rattle alias Magdalena Kozena mit dabei. Ist ja schön, wenn man zum Proben mit dem Ehemann nicht verreisen muss.
Daniel Barenboims alter Freund Zubin Mehta (80), der beim Maggio Musicale in Florenz arbeitslos geworden ist, darf bei „Frau ohne Schatten“ ausprobieren, bei wie viel Strauss-Dezibel im Schiller Theater das Dach wegfliegt. Die imaginative Inszenierung liefert mal wieder Dauergast Claus Guth, der sie bereits 2012 in Mailand und später in London gezeigt hat. Andrea Breths Wolfgang-Rihm-Quickie „Jakob Lenz“ kam 2014 in Stuttgart heraus und hat auch schon die Brüsseler verstört. Selbst Jürgen Flimms „Manon Lescaut“-Inszenierung hatte bereits 2014 am übel beleumundeten Michailowsky Theater in St. Petersburg Premiere. Von dort werden auch gleich noch Dirigent (Mikhail Tatarnikov) und Sopran (Anna Nechaeva) importiert. So viel News an der Opernspree.
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