Braucht einer wie Javier Camarena wirklich eine berühmte Fürsprecherin auf dem Medienmarkt? Offenbar. Obwohl der 42-jährige Mexikaner seit zehn Jahren auf dem internationalen Opernparkett als bejubelter, weil so extrem höhensicherer wie musikalischer tenore di grazia gefeiert wird. Mag er (noch) nicht so stilistisch und geschmackssicher sein wie sein etwas älterer Kollege Juan Diego Flórez, die Stimme klingt frischer, überwältigt mit ihrer strahlenden, nur selten schneidenden Helligkeit. Inzwischen kann er auch seine Spitzentöne besser in den Gesamtvortrag einer Arie integrieren, muss Leuchtraketen nicht mehr als virtuose Artistik abfeuern, sondern vermag sie in Interpretation zu verwandeln. Bisher ist das Vokalorgan Camarenas bereits auf sieben Operngesamtaufnahmen sowie drei Soloalben festgehalten. Und trotzdem präsentiert ihn jetzt seine langjährige Kollegin Cecilia Bartoli als ersten Künstler ihrer „Mentored by Bartoli“-Reihe, die ihre Hausfirma Decca zum 30-jährigen Zugehörigkeitsjubiläum spendiert hat. Ein Win-Win-Projekt für alle: Camarena bekommt zusätzliche Aufmerksamkeit, die Bartoli stellt ihr Licht auch nicht unter den PR-Scheffel (und singt mit ihrem „Schützling“ gleich noch ein Rossini-Duett). Das hörenswerte Programm hat Camarena bereits bei Bartolis letzten Salzburger Pfingstfestspielen vorgestellt, und ihr Orchesterprojekt Les Musiciens du Prince – Monaco hat so auch gleich noch zu tun. La Ceci weiß eben, wie man es macht.
Was nichts Verwerfliches ist. Denn es gibt auf der, von Gianluca Capuano mit Verve auf historischen Instrumenten dirigierten Scheibe sich durchaus Ergötzliches, eine rasant virtuose Vater-Arie von Niccolò Zingarelli aus dessen „Giulietta e Romeo“, sowie vier Rossini-Nummern. Neben dem Duett aus der Zauberoper „Armida“ sind das die Bravourstücke der jugendlichen Tenorhelden aus „Ricciardo e Zoraide“, „La Cenerentola“ und eben jene große Grafen-Arien aus dem „Barbier von Sevilla“, die meist gestrichen wird. Bei der römischen Premiere sang sie jener, hier in den CD-Mittelpunkt gestellte Manuel García (1775-1832), der als spanischer Tenor mit einem wildbewegten Leben zwischen Europa, Nord- und Südamerika einer der Schlüsselfiguren der Romantik wurde. Und der mit dem Gesangslehrer Manuel jun., der Altistin Pauline Viardot und der (Mezzo-)Sopranistin Maria Malibran – der die Bartoli ebenfalls ein Album gewidmet hat – für bedeutenden Nachwuchs sorgte. Komponiert hat er auch, fünf Arien, mal in Französisch, mal auf Spanisch, drei davon Ersteinspielungen, sind hier versammelt; angefangen mit der titelgebenden vom „cotrabandista“, dem Schmuggler aus „El poeta calculista“. Finessenreiches Sängerfutter, von welchem Javier Camarena gern Gebrauch macht.
Gioachino Rossini, Niccolò Zingarelli, Manuel García: Contrabandista. Javier Camarena, Cecilia Bartoli, Les Musiciens du Prince — Monaco, Gianluca Capuano (Decca)
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