Eine Komödie. Das schon. Schön, dass sie mal wieder an einem großen Haus auftaucht – Bedrich Smetanas „Verkaufte Braut“. Eigentlich ein unverwüstlich klassisch komisches Stück, aber komische Opern haben gegenwärtig an den Spitzenmusiktheatern keinen besonders guten Lauf. Zu harmlos, zu wenig deutungsmächtig, kaum politisch, nicht aktuell. Ja, weil sie zeitlos sind. Und weil sie nicht selten in einem bestimmten Milieu spielen. Auf dem Dorf beispielsweise. Kein Ort ist weiter entfernt von der De-Luxe-Szenenfläche der Bayerischen Staatsoper. Viele Regisseure haben diese so simple wie ehrliche, uralt komödienstoffliche Oper von der „Prodaná nevěsta“ in den letzten Jahren mit Beckett, Surrealismus und Tristesse überfrachtet, sie als feministisches Manifest missbraucht, statt einfach mal Smetana und seinen Librettisten Karel Sabina Smetana und Sabina sein zu lassen und einfach nur draufloszuspielen. Das ist nicht das Problem des in München gern gebuchten David Bösch. Der gab hier 2009 sein Operndebüt mit einem dunkel-poetischen „Liebestrank“ von Gaetano Donizetti, erwies sich als Meister des charmant Komödiantischen mit Fellini-Touch und muss sich seither an dieser immer noch geliebten und gespielten Inszenierung messen lassen. So knüpft er jetzt mit seinen inzwischen allzu durchschaubaren Mitteln, ein paar sympathisch verliebte Deppen, Lichterketten, Dunkelheit, Nebel, Herzluftballons, Glimmer, Clowns und einem möglichst skurriles Fahrzeug einfach wieder mal an sein altes, bewährtes Erfolgsrezept an.
Aber so recht mag das doch nicht mehr munden. Weil es diesmal allzu simpel und durchschaubar konzipiert ist. Und weil es arrogant ist. Die Dorfkomödie mit Tiefgang, sie spielt halt nur zwischen Dorfdeppen. Deren Heimat reduziert sich auf ein einen fast bühnenhoch dampfenden Misthaufen, fast schon ein archäologisches Artefakt des Rustikalen, ein Exkremente-Turm von Bauern-Babel (für den Patrick Bannwart verantwortlich zeichnet). Auf und um dem sich das Volk, in Gestalt des durchhörbaren, aber weitgehen immobil aufgereihten und platzierten Staatsopernchores aus allen Körperöffnungen erleichtert. Da wird erst aus dem Tank und dem Spritzkanister gesoffen und dann gerotzt, gespuckt, gekotzt, gepisst und geschissen. Und dazu etwas albern im Polkatakt mit der Langhaarperücke des slawischen Provinzrockers geheadbangt. Das ist kein böhmisches, das ist nur ein ziemlich blödes Dorf zwischen Komödienstadl und (ganz wenig) Milos-Forman-„Feuerwehrball“.
Viel Personenregie findet da zwischen Scheißhäusl (links) und Mistförderband (rechts) nicht statt. Das persönlichkeitsstarke Ensemble ist weitgehend sich selbst überlassen. Also versucht es Pavol Breslik, dessen immer noch feinen Tenor man aus der Bühnentiefe kaum mehr hört und der stellenweise arg pressen muss, mal wieder als Schwiegermutters Liebling. Was für die durchaus auch abgefeimten Seiten des Hans, der seine Braut Marie gleich doppelt verkauft und sie doch einzig für sich gewinnt, nicht ausreicht. Besser bewährt sich da die zunächst etwas hilflos überdrehende Italienerin Selene Zanetti in der Titelrolle. Die wurde gerade aus dem Studio ins Ensemble übernommen und durfte sich jetzt anstelle der schwangeren Christiane Karg bewähren. Was ihr glanzvoll gelungen ist. Weil sie sich darauf verlassen kann, dass in ihrer späten, großen Fünf-vor-12-Arie „Wie fremd und tot ist alles hier“ sich die Seelenlandschaft dieser nicht unkomplexen Person vokal entfaltet. Zanettis dunkel grundierter Sopran prunkt jetzt mit Fülle, Schönheit und Nachdruck. Ein wirklich nachhaltiges Debüt, das schon auf dem Trecker hereingefahren kommt.
Ebenfalls erstmals, Wotan-ante-portas, sang Günther Groissböck nach seinem faunisch-famosen Ochs auf Lerchenau als weiteren schmierigen Kraftlackel nun den Heiratsvermittler Kezal: ein schmieriger Kleinanzeigen-Makler für Amouröses und Appartements. Vor Selbstsicherheit und Brillantine triefend, im weißen Strizzianzug, mit rotem, tief geknöpftem Hemd; mit virilem, doch schlankem Prachtbass, wetterwendisch und doch auch ein wenig dumpfbackig. Herrlich! Obwohl er am Ende auch noch den Kackekübel abbekommt, Bösch übertüncht so fehlende Einfälle mit Derbheiten. Sehr fein und tenormenschlich mit seinen stotternden Außenseitermacken: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, der samt lebendem Schwein Willi den Wenzel nie an die Karikatur verrät. Auf Staatsopernniveau: das Elternquartett und die von Ulrich Reß angeführte, im lila Blinkebirnen-Trabbi hereinratternde Zirkusmannschaft, wo sich dann wieder die Gülle mit Glitzer mischt.
Etwas ostentativ laut steigt Tomas Hanus, der sich zu Recht für die deutsche Max-Kalbeck-Fassung des in dieser Sprache berühmte gewordenen Stücks entschieden hat, am Pult des Staatsopernchesters ein. Doch bald findet er die richtige Balance zwischen sauber exekutierten Streicherachteln in der Ouvertüre und der Stampfgewalt des Furiant. Er lässt der vielschichtigen Partitur Wärme und Nachdenklichkeit, der ist manchmal am Davonlaufen, wird aber immer wieder eingeholt. Und dafür das die Krachkomik nicht zu kurz kommt, sorgt ja immer schon die nach dem nächstliegenden Gag lauernde Inszenierung. Trotzdem schön, dass sie die „Verkaufte Braut“ mal wieder im größeren Rahmen entfalten durfte. Bald übrigens auch in Leipzig und Dresden.
Am 6. Januar ab 18:00 Uhr kostenlose Übertragung auf staatsoper.tv
Der Beitrag Gülle und Glitter: Endlich wieder „Die verkaufte Braut“ an der Bayerischen Staatsoper erschien zuerst auf Brugs Klassiker.